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Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Titel: Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist
Autoren: Donna Leon
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weder an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät studiert hat, geschweige denn dort promoviert wurde.«
    Ratlos runzelte Vianello die Brauen. »Ja, und?«
    »Das bedeutet, er hat bei seiner Bewerbung gelogen, sich einen Doktortitel angemaßt, den er gar nicht hatte«, erklärte Brunetti.
    »Das habe ich schon verstanden«, gab Vianello geduldig zurück, »aber was hat das mit unserem Fall zu tun?«
    »Wenn Battestini diesen Brief weitergeleitet hätte, wäre Rossi seinen Job los gewesen. Er hätte alles verloren, seine Karriere, seine Zukunft«, versetzte Brunetti, erstaunt, daß Vianello das nicht zu begreifen schien.
    Vianello machte eine Handbewegung, als wollte er lästige Fliegen verscheuchen. »Das habe ich alles kapiert. Aber reicht das für einen Mord? Mein Gott, es ist schließlich nur ein Job. Deshalb einen Menschen umbringen? Wieso?«
    Die Antwort, die Brunetti überraschend einfiel, stammte aus einem Gespräch mit Paola. »Hochmut«, erklärte er. »Weder Wollust noch Habgier, sondern übertriebener Stolz. Wir sind die ganze Zeit dem falschen Laster nachgejagt«, schloß er und hatte den armen Vianello nun vollends verwirrt.
    Der Inspektor, der offenkundig keine Ahnung hatte, wovon die Rede war, gestand nach einer langen Pause hilflos: »Ich versteh's immer noch nicht. Aber was ist jetzt? Sollen wir ihn festnehmen oder nicht?«
    Brunetti sah keinen Grund zur Eile. Signor - nicht mehr Dottor - Rossi würde seinen Direktionsposten und seine Familie nicht kampflos aufgeben. Sein Instinkt sagte ihm, daß Rossi ein Mann war, der bis zum bitteren Ende durchhalten und nicht müde werden würde, seine Unschuld zu beteuern und darauf zu beharren, daß er keine Ahnung habe, wieso man ihn mit einer alten Frau in Verbindung brächte, die unglücklicherweise ermordet worden sei. Brunetti hörte förmlich seine Ausflüchte, die er, je nach Beweislage, chamäleonhaft variieren würde. Rossi hatte seine Umgebung über zehn Jahre lang getäuscht; bestimmt würde er das auch weiter versuchen.
    Vianello rutschte so ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her, daß Brunetti sich etwas einfallen lassen mußte, um ihn zu bremsen. »Wir müssen erst die Auswertung der Fingerspuren aus der Dachkammer abwarten. Sobald Bocchese nachweisen kann, daß seine dabei sind, können wir Rossi vorladen.«
    »Und wenn er sich weigert? Ich meine, wegen der Fingerabdrücke?«
    »Das wird er nicht tun, nicht, wenn wir ihn erst einmal hier haben«, sagte Brunetti im Brustton der Überzeugung.
    »Andernfalls riskierte er einen Skandal: Die Presse würde ihn in der Luft zerreißen.«
    »Und wenn wir ihn als Mörder überführen, gäbe das keinen Skandal?«
    »Doch, schon, aber da wird er glauben, daß er sich herausreden kann. Er wird sich als Opfer hinstellen, behaupten, er habe nicht gewußt, was er tat, sei zum Zeitpunkt des Mordes nicht er selbst gewesen.« Bevor Vianello etwas einwenden konnte, fuhr Brunetti fort: »Uns seine Fingerabdrücke zu verweigern, die wir ihm über kurz oder lang auch zwangsweise abnehmen könnten - das würde feige wirken, und darum wird er darauf verzichten.« Sein Blick schweifte kurz zum Fenster hinüber, dann wandte er sich wieder dem Inspektor zu. »Bedenken Sie, er hat sich vor Jahren mit diesem falschen Doktortitel eine Rolle erschlichen, die er nicht kampflos aufgeben wird, ganz gleich, was wir ihm nachweisen. Er hat diesen Part so lange gespielt, daß er ihn inzwischen vermutlich für sein wahres Ich hält oder sich zumindest einbildet, er hätte aufgrund seiner Position ein Recht auf Schonung.«
    »Und was heißt das für uns?« fragte Vianello, der, offenbar gelangweilt von all diesen Spekulationen, die praktische Planung vorantreiben wollte.
    »Das heißt, daß wir auf Bocchese warten.«
    Vianello erhob sich, wollte noch etwas sagen, besann sich aber und ging wortlos hinaus.
    Brunetti blieb hinter seinem Schreibtisch sitzen und dachte nach über das Phänomen der Macht und die Privilegien, die viele ihrer Vertreter wie selbstverständlich für sich in Anspruch nahmen. Er ließ Mitarbeiter und Kollegen Revue passieren, auf die dieses Verhaltensmuster passen mochte, und als ihm Tenente Scarpa einfiel, stemmte er sich aus seinem Stuhl hoch und machte sich entschlossen auf den Weg zu Scarpas Büro.
    »Avanti«, rief Scarpa, als er es klopfen hörte.
    Brunetti trat ein, ließ aber die Tür offen. Als er seinen Vorgesetzten sah, erhob sich der Tenente andeutungsweise aus seinem Sessel, eine Bewegung, die man
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