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Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen

Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen

Titel: Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
Autoren: Rachel Treasure
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    Als Emily Flanaghan auf dem Baumstamm aufschlug und das rhythmische Schlagen ihres Herzens aussetzte, hörte sie das Donnern der Hufe nicht mehr, mit dem die anderen Reiter des Buschrennens an ihr vorbeijagten. Genauso wenig hörte sie den wilden Schmerzensschrei ihrer silbergrauen Stute Snowgum, dieses grauenvoll kehlige Wiehern. Noch während die messerscharfen harten Hufe des Tieres durch die Luft keilten, wehte der Geruch von tierischem und menschlichem Blut über das Gelände. Emily meinte durch ein Geflecht von Eukalyptusblättern himmelwärts getragen zu werden, während ihre Panik am Boden zurückblieb. Staunend nahm sie wahr, wie massiv die Eukalyptusbäume in ihrer silbrigen Schönheit aufragten.
    Verschwunden war die nackte Angst, die sie gepackt hatte, als sie und Snowgum in vollem Lauf mit dem großen Fuchs kollidierten, der gerade noch neben ihnen galoppiert war und der sie urplötzlich mit der Breitseite rammte. Metallene Steigbügel klirrten, die Pferde stöhnten unter dem Aufprall, dann wurde Snowgum von der Bahn abgedrängt. Flüchtig nahm sie das verzerrte Gesicht von Clancys Freund Mick Parker und die von schwarzen Stoppeln umrahmten feixenden gelben Zähne wahr. Einen Zügel hielt er straff am Hals des Pferdes, der andere baumelte abgerissen und nutzlos herab. Zur Hölle mit Clancy, dachte Emily, als der Baum direkt vor ihr aufragte. Nur seinetwegen hatte sie sich überhaupt für dieses Rennen eingetragen.
    Die Gesichter ihrer beiden Mädchen Meg und Tilly blitzten in ihrem Kopf auf. Sie waren mit einer Horde Freundinnen unten am Festzelt unterwegs und trieben wilden Unfug. Beide Mädchen waren hagere Landkinder mit struppigen, sonnengebleichten Pferdeschwänzen und verdreckten Gesichtern. Emily sah vor sich, wie sie aufgeregt darauf warteten, dass ihre Mum auf ihrem Pferd über die Ziellinie galoppierte.
    Noch kurz vor dem Start hatte sich Meg, die Jüngere, an sie geklammert, die sommersprossige Nase krausgezogen und geflüstert: »Mummy, mach nicht bei dem Rennen mit. Bitte!« Emily hatte die Tränen ihrer Tochter an ihrem Hals gespürt, und sofort hatten auch ihre Augen gebrannt.
    In der letzten Sekunde vor dem Aufprall dachte sie an ihren Dad Rod und daran, wie tief es ihn treffen würde, sie schon im Alter von sechsundzwanzig Jahren zu verlieren. Dass sie ihn ausgerechnet jetzt im Stich lassen würde, wo akute Gefahr bestand, dass ihre Familie durch einen Federstrich in einem weit entfernten Parlament ihre Weidegründe verlor, peinigte ihr Gewissen. Dann sah sie kurz ihren Bruder Sam vor sich, der am anderen Ende der Welt in Nashville in einem Aufnahmestudio saß. Oder wahrscheinlich eher in einer Bar, mit einem Bourbon in der Hand, einem süßen Grinsen im Gesicht und keinem Funken Verantwortungsgefühl im Leib.
    Ihr letzter Gedanke galt allerdings ihrem Mann Clancy. Im letzten Sekundenbruchteil des Lebens, das Emily bis dahin gekannt hatte, musste sie daran denken, wie Clancy sie beschimpft hatte. Als sie auf den Baum prallte, bereute sie zutiefst, dass sie ihr Leben so verpfuscht hatte. Sie hatte sich alles widerstandslos nehmen lassen – ihr eigenes Leben, ihre Familie und ihre Berge.
    Dann explodierte beim Zusammenprall der Schmerz. Während Snowgum unter ihr einknickte, hörte Emily Wasser rauschen und fragte sich, warum dieses Fließen plötzlich zu einem Tröpfeln verebbte. Sie begriff nicht, dass es das Blut in ihren Adern war, das immer langsamer floss. In der Ferne hörte sie eine Axt schlagen, anfangs schnell, dann immer zögerlicher und schwächer. Sie wusste nicht, dass es ihr Herz war, das immer langsamer schlug. Und langsamer. Dann fast stehen blieb. Nur … hin … und … wieder … kam … noch … ein … matter … Schlag.
    Zusammengekrümmt und reglos lag Emilys Körper auf dem steinigen Bachufer, während um sie herum alle in Hektik ausbrachen. Streckenposten kletterten in ihren orange leuchtenden Westen über die Grashöcker und hasteten durch das flache Kiesbett des Baches. Einer schrie noch im Laufen in ein Funkgerät.
    »Ein Reiter ist gestürzt! Wir brauchen einen Krankenwagen! Das sieht übel aus. Richtig übel.«
    Auf der goldenen Wiese am Fluss, auf der sich während der zwei Tage des Mountain Cattlemen’s Get-Together eine provisorische Zeltstadt ausgebreitet hatte, sahen immer noch alle dem Rennen zu. Der Sprecher, der nichts von dem Unfall auf der anderen Seite der Anhöhe mitbekommen hatte, kommentierte weiter den Mountain Cattlemen’s Cup, während
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