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Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Titel: Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist
Autoren: Donna Leon
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nachwirken und fuhr dann fort: »Aber sie hat auch gesagt, daß seine Chancen, nach Rom zu gehen, nach ihrer Kenntnis unserer kommunalpolitischen Szene ungefähr so groß sind wie die des Bürgermeisters auf eine Wiederwahl.«
    Nach einer langen Pause sagte Brunetti: »Also doch.«
    »Wie bitte?«
    »Habgier. Sogar noch mit dreiundachtzig.«
    »Ja«, entgegnete sie. »Wie traurig.«
    Unversehens stand Bocchese, der sich in der Questura normalerweise nicht außerhalb seines Büros blicken ließ, in der Tür. »Ich habe Sie gesucht«, sagte er vorwurfsvoll zu Brunetti. Dann nickte er Signorina Elettra zu, trat näher und breitete etliche Utensilien auf dem Schreibtisch aus. »Also dann, Commissario, ich brauche Ihre Fingerabdrücke.«
    Brunetti sah, wie Bocchese die vorgefertigten Pappen mit den Umrissen für Daumen und Finger zurechtrückte. Dann klappte er die flache Dose mit dem Stempelkissen auf und winkte Brunetti ungeduldig zu sich herüber. Der Commissario erhob sich und überließ ihm erst die rechte, dann die linke Hand. Der erfahrene Kriminaltechniker arbeitete flink und geschickt, so daß die Prozedur im Nu vorüber war.
    Doch als Bocchese die beiden Pappschablonen beiseite schob, kam darunter ein zweites Paar zum Vorschein. »Ich könnte doch Ihre Abdrücke auch gleich nehmen, Signorina«, sagte er.
    »Nein, danke«, wehrte sie ab und wich demonstrativ bis an die Tür zurück.
    »Na, was denn?« rief Bocchese in einem Ton, der über eine bloße Frage hinausging, aber noch kein Befehl war.
    »Ich verzichte lieber«, sagte sie, und damit mußte er sich zufriedengeben.
    Achselzuckend griff Bocchese nach den Schablonen mit Brunettis Fingerabdrücken und musterte sie sorgfältig. »Von denen haben wir garantiert keine in der Dachkammer gefunden. Dafür aber jede Menge andere, höchstwahrscheinlich von einer männlichen Person, groß und kräftig.«
    »Jede Menge?« wiederholte Brunetti.
    »Sieht aus, als hätte er alles durchwühlt«, bestätigte Bocchese. Und als er sicher war, daß Brunetti ihm gespannt zuhörte, fuhr er fort: »Einen Satz derselben Fingerspuren haben wir an der Unterseite des Küchentischs sichergestellt. Also, meiner Meinung nach sind es dieselben, aber um jeden Zweifel auszuschließen, müssen wir sie natürlich nach Brüssel zu Interpol einschicken.«
    »Und wie lange wird das dauern?« fragte Brunetti.
    Wieder zuckte Bocchese mit den Schultern. »Eine Woche? Einen Monat?« Er schob die Schablonen in einen Plastikumschlag und steckte die Dose mit dem Stempelkissen in seine Tasche. »Vielleicht kennen Sie ja jemanden in Brüssel? Der die Sache ein wenig beschleunigen könnte?«
    »Nein, leider nicht«, gestand Brunetti.
    Worauf beide Männer sich wie auf Verabredung mit flehendem Blick an Signorina Elettra wandten.
    »Ich will sehen, was ich tun kann«, versprach sie.

24
    B runetti verbrachte die nächste Stunde allein in seinem Büro und überlegte hin und her, wie Rossi am besten zu packen sei. Doch so oft er auch zwischen Schreibtisch und Fenster auf und ab ging, er konnte sich nur schwer konzentrieren, weil ihm, egal woran er dachte, ständig die sieben Todsünden in die Quere kamen. Juristisch gesehen wäre keine davon heutzutage noch strafbar; schlimmstenfalls würde man sie als Charakterfehler einstufen. War das wieder so ein Indiz für die Kluft zwischen alter und neuer Welt? Wochenlang hatte Paola ihm aus den Texten vorgelesen, die seine Tochter im Religionsunterricht durchnahm, ohne daß er sich dabei je gefragt hätte, ob man sie auch den Begriff der Sünde lehrte, und wenn ja, wie der nun definiert wurde.
    Diebstahl war ein Verbrechen, Habsucht und Neid nur die Laster, die einen dafür prädisponierten. Ebenso wie das Laster der Trägheit; jedenfalls gerieten seiner Erfahrung nach viele Kriminelle auf die schiefe Bahn, weil sie glaubten, es sei leichter, sich den Lebensunterhalt durch Stehlen zu finanzieren als mit ehrlicher Arbeit. Auch Erpressung war ein Verbrechen, wiederum begünstigt durch die nämlichen drei Laster.
    Was Rossi betraf, so tippte Brunetti auf Hochmut als Auslöser für sein Verbrechen. Jeder normale Mensch würde die Entdeckung seines Schwindels als Blamage einstufen, peinlich, gewiß, aber viel mehr nicht. Schlimmstenfalls würde er seinen Direktionsposten bei der Schulbehörde verlieren, doch ein Mann mit seinen Beziehungen konnte leicht wieder Arbeit finden; die Stadtverwaltung würde ihn auf irgendeine obskure Stelle versetzen und dort bei gleichem
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