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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima
Autoren: Donna Leon
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Signora.«
    Sie wartete, ohne zu fragen, warum, hielt aber den Blick unverwandt auf ihn gerichtet.
    »Bei unserer letzten Begegnung, als ich mich bei Ihrem Vater nach Claudia erkundigte, haben Sie mir nicht gesagt, daß Sie das Mädchen kannten.«
    »Sie haben mich nicht danach gefragt.« Ihre Stimme war so flach wie ihr Busen.
    »Unter diesen besonderen Umständen hätten Sie ruhig mehr sagen können, als daß Sie den Namen wiedererkannten.«
    »Sie haben mich nicht gefragt«, wiederholte sie, als hätte er diese Antwort nicht eben erst zurückgewiesen.
    »Was hatten Sie für einen Eindruck von Claudia?« erkundigte sich Brunetti. Überraschenderweise machte Ford keinen Versuch, die Aufmerksamkeit seiner Frau auf sich zu lenken. Vielmehr schlenderte er langsam in den vorderen Teil des Zimmers und stellte sich ans Fenster. Als Brunetti zu ihm hinblickte, hatte der Engländer ihnen den Rücken zugekehrt und sah zur Kirche hinaus.
    Eleonoras Blick folgte ihrem Mann, als hoffe sie, die Antwort auf Brunettis Frage von seinem Rücken ablesen zu können.
    »Ich habe mir keine Gedanken über sie gemacht«, sagte sie endlich.
    »Und wieso nicht, Signora?« fragte Brunetti höflich.
    »Sie war einfach ein junges Ding, das in der Bibliothek arbeitete. Ich hab sie ein-, zweimal gesehen. Warum hätte ich mich mit ihr befassen sollen?« Das sollte offenbar trotzig wirken, aber ihre Stimme klang stockend, fast unsicher, und die Frage schien durchaus ernst, nicht ironisch gemeint.
    Brunetti war das Herumlavieren leid. »Weil sie eine junge Frau war, Signora, und weil Ihr Mann bekannt dafür ist, daß er junge Frauen attraktiv findet.«
    »Wovon reden Sie?« Die Frage kam zu rasch, genau wie der verstohlene Blick hin zu ihrem Mann.
    »Für mich ist das ganz einfach, Signora. Ich beziehe mich auf das, was alle Welt zu wissen scheint: nämlich daß Ihr Mann Sie betrügt, daß er eine Schwäche für jüngere, für attraktivere Frauen hat.«
    Ihr Gesicht verzerrte sich, aber nicht vor Gram oder einer anderen Regung, wie man sie auf diese Bemerkungen hätte erwarten können, die Brunetti so mitleidlos und verletzend wie nur möglich hingeworfen hatte hatte. Sie jedoch wirkte eher entsetzt, ja sogar schockiert.
    »Was soll das heißen, alle wüßten Bescheid? Woher sollten die Leute so etwas wissen?«
    »Nun, als ich vorhin im Lesesaal wartete«, versetzte Brunetti in legerem Plauderton, »da haben sich sogar die Veteranen darüber unterhalten, wie er den jungen Dingern immer an die Titten gegangen sei.« Den Blick ostentativ auf ihre Brust gerichtet, wechselte er vom wohlartikulierten Italienisch in breite, vulgäre venezianische Mundart: »Ich verstehe, was er gemeint hat, als er zu mir sagte, daß er gern mal ein paar richtige Titten in die Hand bekommt.«
    Sie schnappte so laut nach Luft, daß Ford, der von Brunettis Dialekteinlage kein Wort verstanden hatte, wie elektrisiert herumfuhr. Er sah seine Frau, die mit vor der Brust verkrampften Händen und offenem Mund einen sehr gefaßten Brunetti anstarrte, der sich jetzt vorbeugte und höflich in kultiviertestem Italienisch fragte: »Verzeihen Sie, Signora, aber ist Ihnen nicht wohl?«
    Sie stand immer noch mit offenem Mund da und pumpte verzweifelt Luft in ihre Lungen. »Das hat er gesagt? Das hat er zu Ihnen gesagt?« keuchte sie.
    Ford eilte vom Fenster herbei. Er hatte keine Ahnung, was passiert war, als er seiner Frau jetzt beschützend die Arme entgegenstreckte.
    »Bleib mir vom Leib«, stieß Eleonora mit gepreßter Stimme hervor. »Das hast du zu ihm gesagt?« zischte sie. »Nach allem, was ich für dich getan habe? Zuerst betrügst du mich mit dieser kleinen Hure, und dann redest du so über mich?« Ihre Stimme wurde mit jeder Frage schriller, und das Blut staute sich in ihrem Gesicht.
    »Eleonora, sei still!« rief Ford beschwörend, nun schon ganz dicht bei ihr. Sie hob die Hand, um ihn zurückzustoßen; er faßte gleichzeitig nach ihrem Arm. Aber durch eine abrupte Seitwärtsbewegung ihrerseits landete seine ausgestreckte Rechte nicht auf ihrem Handgelenk oder dem Arm, sondern auf ihrer Brust.
    Sie erstarrte, doch Instinkt oder Sehnsucht waren stärker als ihr Zorn, und im nächsten Moment schon neigte sie sich seiner Hand entgegen. Dann aber fuhr sie brüsk zurück und erhob die geballte Faust. »Rühr mich nicht an. Wag es nicht, mich da anzufassen, so wie du es bei der kleinen Hure gemacht hast.« Ihre Stimme kletterte noch um eine Oktave höher. »Du wirst sie nicht noch
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