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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima
Autoren: Donna Leon
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Polizeiboot zu ordern.
    Während er, den anderen voran, die Treppe zum Ausgang hinunterschritt, überlegte Brunetti, wie die Situation am besten zu handhaben sei. Wenn der Psychiater Eleonora Ford attestierte, daß sie unter einem schweren Schock stand, würde ihr Mann sie auf jeden Fall aus der Questura herausbringen; es wäre sinnlos, sich dagegen aufzulehnen. Je unauffälliger und friedlicher jedoch ihr Abgang verlief, desto mehr Gewicht würde man ihrem Geständnis beimessen, bei dem sie vollkommen ruhig und gefaßt gewirkt hatte.
    Vor der Questura wartete die Polizeibarkasse mit tuckerndem Motor. Brunetti folgte der kleinen Gruppe nicht hinunter zur Anlegestelle, sondern blieb am Eingang stehen. Der nämliche uniformierte Beamte half erst den beiden Frauen und den drei Männern aufs Boot, dann sprang auch er an Bord. Als die Barkasse ablegte, ging Brunetti wieder hinein und tätigte die Anrufe, die hoffentlich dafür sorgen würden, daß Signora Ford nicht so leicht wieder aus dem Labyrinth der Justiz entkam, in das ihr Geständnis sie geführt hatte.
    Während der kommenden Monate richtete sich das Interesse Venedigs immer wieder auf dieses Labyrinth, durch das der Mordfall Claudia Leonardo und der Streit um Hedwig Jacobs' Kunstschätze ihren trägen Fortgang nahmen - was hoffentlich nicht gar zu dynamisch formuliert ist. Beide Fälle hatten in der Öffentlichkeit wie Kometen eingeschlagen und hatten in Lokal- wie überregionaler Presse für Schlagzeilen gesorgt. Die Reportagen über andere Verbrechen oder interne Verwicklungen rutschten an den Fuß der Titelseite ab, verdrängt durch das sensationelle Mordgeständnis der Tochter eines der bekanntesten Notare der Stadt sowie durch die Entdeckung einer glanzvollen Kunstsammlung im bescheidenen Heim einer armen alten Frau.
    Um den ersten Fall rankten sich abenteuerliche Spekulationen um Eifersucht, Leidenschaft, Ehebruch; mit dem zweiten verband die Fama gedämpftere Gefühle wie Liebe, Treue und Hingabe. Nach einer Weile aber verlagerte sich die Berichterstattung in beiden Fällen gemeinsam mit ihren Protagonisten: Signora Ford wurde nach Hause entlassen, und ihre Geschichte rückte in den Innenteil der Gazetten; die der Signora Jacobs wurde vollends beerdigt, sowie man die alte Frau auf dem protestantischen Friedhof beigesetzt hatte, allerdings nicht bevor Brunetti seinen Irrtum, daß auch sie einem Mord zum Opfer gefallen sei, eingesehen und bedauert hatte. Claudias Tod hatte Hedwig Jacobs umgebracht, nicht Claudias Mörder.
    Das Verfahren, das man abwechselnd den Leonardo oder den Ford-Prozeß nannte, nahm seinen Lauf. Eleonoras Geständnis wurde in Zweifel gezogen und als typisches Beispiel brutaler Verhörmethoden der Polizei angeprangert, aber endlich, nach sechsmonatigem juristischem Gefeilsche, doch für rechtsgültig erklärt. Inzwischen aber hatten Dr. Rampazzo und seine Kollegen ein Gutachten vorgelegt, demzufolge die Angeklagte, von Eifersucht getrieben, zur Tatzeit nicht zurechnungsfähig war. Boscaro wurde seinem Ruf und zweifellos auch seinem Honorar gerecht, indem er den Richtern dieses Argument so zwingend nahebrachte, daß sie entschieden, Signora Ford habe sich an dem Abend, als sie Claudia Leonardo aufsuchte, tatsächlich in einem Zustand verminderter Schuldfähigkeit befunden. Und was dann geschehen war... Wie hatte doch Maxwell Ford zu seiner Frau gesagt: Das Fleisch ist schwach und treibt Menschen dazu, Dinge zu tun, die sie gar nicht tun wollen.
    Brunetti, mittlerweile mit einem anderen Fall befaßt, einem noch größeren Korruptionsskandal im Casinò, verfolgte den Prozeß in den Zeitungen und über seine Freunde bei Gericht, wohl wissend, daß er den Gang der Ereignisse nun nicht mehr beeinflussen konnte.
    Die Kunstwerke in Signora Jacobs' Wohnung wurden noch einmal inventarisiert, diesmal vom Finanzministerium und der Sovrintendenza delle Belle Arti. Claudias Mutter wurde für deren rechtmäßige Erbin erklärt und damit zugleich auch zur Erbin von Hedwig Jacobs. Da sie indes unauffindbar war, verhängte der Staat eine siebenjährige Sperrfrist, nach deren Ablauf man sie für tot erklären und ihr Erbe an den Staat fallen würde. Die Gemälde und Keramiken sowie die berühmten Zeichnungen, die einmal dem Schweizer Konsul gehört hatten (oder auch nicht) und deren Besitzerin nun Claudias Mutter war (oder auch nicht), wurden allesamt nach Rom geschafft, dort in einem Depot eingelagert, und dann brach die siebenjährige Wartefrist
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