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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima
Autoren: Donna Leon
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mal anfassen, oder? Nicht mit einem Messer in der Brust, da, wo deine Hände waren, oder?« Ford stand starr vor Entsetzen. »Oder«, schrie sie, »oder?« Und ganz plötzlich zog sie ihre Faust zurück und ließ sie einmal, zweimal, dreimal gegen seine Brust krachen, während die beiden Männer wie gelähmt vor ihrer Wut standen. Nach dem dritten Schlag wich sie von ihrem Mann zurück. So rasch, wie ihr Zorn aufgeflammt war, brach er in sich zusammen, und sie begann mit großen, herzzerreißenden Schluchzern zu weinen. »Ich hab das alles für dich getan, und trotzdem kannst du so zu ihm reden über mich.« »Halt den Mund!« schrie Ford sie an. »Sei still, du Idiot!« Während ihr die Tränen unaufhaltsam aus den Augen strömten, sah sie zu ihm auf und fragte: »Warum müßt ihr immer in schöne Dinge vernarrt sein, ihr beide, Papa und du? Alles, was ihr je begehrt habt, mußte schön sein. Keiner von euch wollte jemals...« Heftiges Schluchzen überkam sie und verschluckte das letzte Wort, aber Brunetti wußte auch so, wie es heißen sollte: »mich.«

26
    O bwohl Ford ein großes Gezeter anstimmte und behauptete, Brunetti habe kein Recht, seine Frau festzunehmen, leistete Eleonora keinen Widerstand, sondern erklärte sich bereit, mit ihm zu gehen. Mit Ford im Schlepptau, der wüste Drohungen ausstieß und ihm die Namen bedeutender Persönlichkeiten nachschleuderte, führte der Commissario sie zum Ausgang. Hinter der Tür stand Vianello lässig an die Wand gelehnt, aber Brunettis erfahrenes Auge erkannte unter seiner aufgeknöpften Jacke die Pistole im Holster.
    Brunetti war unschlüssig, wie er Vianello instruieren sollte, solange er nicht sicher war, ob sich das, was er gerade von Signora Ford gehört hatte, wirklich als Mordgeständnis werten ließ. Außer Ford war kein Zeuge zugegen gewesen, und der Engländer würde natürlich leugnen, daß er etwas dergleichen aus ihrem Munde gehört hatte, oder von vornherein behaupten, daß sie ganz etwas anderes gesagt habe. Es kam also darauf an, die Signora dazu zu bringen, ihr Geständnis in Vianellos Beisein zu wiederholen oder, besser noch, sie auf die Questura zu bringen, wo man ihre Aussage auf Band oder Video aufzeichnen konnte. Er wußte, daß er sich mit einer Anklage, die allein auf seinem Wort beruhte, vor jedem erfahrenen Strafrichter, ja bei allen Gesetzeskundigen zum Gespött machen würde.
    »Ich habe ein Boot angefordert, Signore«, sagte Vianello ganz ruhig, als er sie kommen sah. »Die Kollegen werden gleich hier sein.«
    Brunetti nickte, als wäre es das Natürlichste von der Welt, daß Vianello eigenmächtig eine solche Anordnung traf. »Wohin?« fragte er. »Ans Ende der calle«, sagte Vianello.
    »Das können Sie nicht machen!« protestierte Ford aufs neue und versperrte Brunetti den Weg zur Treppe. »Mein Schwiegervater ist mit dem Pretore bekannt. Das wird Sie Ihre Stelle kosten.«
    Brunetti brauchte kein Wort zu sagen. Mit einem gleichmütigen »Permesso« schob Vianello den Engländer gewaltsam beiseite und räumte die Treppe für seinen Chef und die Signora. Brunetti schaute nicht zurück, als sie hinuntergingen, aber er hörte Ford erst schimpfen und zetern und dann vernehmlich ächzen, wohl infolge eines vergeblichen Versuchs, Vianello vom Treppenabsatz zu drängen, um seiner Frau folgen zu können.
    Draußen empfing sie strahlender Sonnenschein, und es war ungewöhnlich mild für einen Novembertag. Als sie aus dem Gebäude traten, hörte Brunetti von rechts her das Tuckern eines Motorbootes und führte die schweigende Frau in dessen Richtung. Eine Polizeibarkasse rauschte auf die Stufen am Ende der calle zu und hielt; als er sie kommen sah, hievte ein uniformierter Beamter eine breite Planke zwischen Dollbord und Uferdamm und half erst der Frau, dann dem Commissario an Bord.
    Brunetti führte Eleonora Filipetto hinunter in die Kabine, unsicher, ob er mit ihr reden oder warten sollte, bis sie von allein zu sprechen begann. Seine Neugier machte es ihm nicht leicht zu schweigen, aber er entschied sich trotzdem dafür, und so saßen sie einander auf dem Weg zurück zur Questura stumm gegenüber.
    Dort angekommen, brachte er sie in einen der kleinen Vernehmungsräume und wies sie darauf hin, daß man ihre Aussage auf Band aufnehmen würde. Dann führte er sie zu einem Stuhl an einer Seite des Tisches, setzte sich ihr gegenüber, gab ihrer beider Namen sowie Datum und Uhrzeit zu Protokoll und fragte, ob sie einen Anwalt hinzuziehen wolle. Sie
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