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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke
Autoren: Leo Perutz
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LEO PERUTZ NACHTS UNTER DER STEINERNEN BRÜCKE
    Ein Roman

    aus dem alten Prag
    Herausgegeben
und mit einem Nachwort von Hans-Harald Müller
    Lizenzausgabe mit Genehmigung der
Paul Zsolnay Verlag Gesellschaft m.b.H., Wien • Dannstadt
für die Deutsche Buch-Gemeinschaft
C.A. Koch's Verlag Nachf., Berlin • Darmstadt • Wien Diese Lizenz gilt auch für:
die Bertelsmann Club GmbH, Gütersloh
die EBG Verlags GmbH, Kornwestheim
die Buchgemeinschaft Donauland Kremayr & Scheriau, Wien und die Buch- und Schallplattenfreunde GmbH, Zug/Schweiz © Paul Zsolnay Verlag Gesellschaft m.b.H., Wien • Darmstadt 1988 Schutzumschlag- und Einbandgestaltung: Manfred Waller Umschlagfoto: »Grab des Rabbi Loew auf dem Alten Jüdischen Friedhof« Satz: Fotosatz Otto Gutfreund, Darmstadt
Druck und Bindung: May + Co, Darmstadt
Printed in Germany • Buch-Nr. 05585 0
    11

    Des Kaisers Tisch 24

    Das Gespräch der Hunde 38

    Die Sarabande

    5i
    Der Heinrich aus der Hölle 65
Der entwendete Taler 84
    Nachts unter der steinernen Brücke 99
Der Stern des Wallenstein 105
Der Maler Brabanzio 146
Der vergessene Alchimist 162
    Der Branntweinkrug 195

    Die Getreuen des Kaisers 208

    Das verzehrte Lichtlein 229

    Der Engel Asael 254
    Epilog 261
Nachwort 269
Editorische Notiz 295
    Im Herbst des Jahres 1589, als in der Prager Judenstadt das große Kindersterben wütete, gingen zwei armselige Spaßmacher, ergraute Männer, die davon ihr Leben fristeten, daß sie bei den Hochzeiten die Gäste belustigten, durch die Belelesgasse, die vom Nicolasplatz zum Judenfriedhof führte.
    Es dunkelte. Sie waren schwach vor Hunger, beide, denn seit zwei Tagen hatten sie nicht viel mehr als ein paar Bissen Brot gegessen. Die Zeiten waren schlimm für Spaßmacher. Denn in diesen Tagen, da der Zorn Gottes über die unschuldigen Kinder gekommen war, gab es keine Hochzeiten und keine Freudenfeste in der Judenstadt.
    Der eine von den beiden, Koppel-Bär, hatte schon eine Woche vorher seinen zottigen Pelz, in dem er, als wildes Tier verkleidet, seine drolligen Sprünge machte, zum Geldverleiher Markus Koprivy getragen. Der andere, Jäkkele-Narr, hatte seine silbernen Schellen verpfändet. Jetzt besaßen sie nichts als ihre Kleider und ihre Schuhe, und Jäckele-Narr hatte auch noch seine Geige, für die wollte der Pfandleiher nichts geben.
    Sie gingen langsam, denn noch war es nicht völlig dunkel geworden, und sie wollten nicht gesehen werden, wenn sie den Friedhof betraten. So viele Jahre hindurch hatten sie sich mit ehrlicher Arbeit das Brot für alle Tage und den Bedarf des Sabbats verdient, und nun stand es so mit ihnen, daß sie des Nachts auf den Grabsteinen nach Kupferpfennigen suchen mußten, die die frommen Besucher des Friedhofes bisweilen für die Armen zurückließen.
    Als sie an das Ende der Belelesgasse gekommen waren und die Friedhofsmauer zu ihrer Linken sahen, blieb Jäkkele-Narr stehen und deutete auf die Tür des Flickschusters Gerson Chalel.
    »Sicherlich«, sagte er, »ist des Schusters Blümchen noch wach. Ich will ihr aufspielen das Lied: >Sechs Jahre erst zähl' ich, das Herz ist mir fröhliche, so wird sie zur Tür herauskommen und auf der Gasse tanzen.«
    Koppel-Bär wachte auf aus einem Traum von einer warmen Rettichsuppe mit kleinen Fleischbrocken darin.
»Du bist ein Narr«, brummte er. »Wenn der Messias kommt und die Kranken heilt, — du wirst ein Narr bleiben. Was schert mich des Schusters Blümchen? Was soll mir ihr Tanzen? Ich bin krank vor Hunger in allen meinen Gliedern.«
»Wenn du bist krank vor Hunger, so nimm ein Messer, schleif es und häng dich auf«, sagte Jäckele-Narr, und dann nahm er seine Geige vom Rücken und begann zu spielen.
Aber soviel er auch spielte, des Schusters Töchterchen wollte nicht kommen. Jäckele-Narr ließ die Geige sinken und dachte nach. Dann ging er über die Gasse und blickte durch das offene Fenster in des Schusters Stube.
Sie war dunkel und leer, die Stube, aber aus der Kammer kam ein Lichtschein, und Jäckele-Narr sah den Schuster und sein Weib, die saßen auf niederen Schemeln einander gegenüber und sangen die Sterbegebete für ihr Kind Blümchen, das sie am Tag zuvor begraben hatten.
»Sie ist tot«, sagte Jäckele-Narr. »So ist denn der Schuster auch vom Himmel herab auf die harte Erd' gefallen. Ich habe nichts und möchte doch alles dafür geben, nur daß sie noch am Leben wär'. So klein war sie und doch war es mir, wenn ich sie sah, als war' die Welt in ihrem Aug'. Fünf Jahre war sie
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