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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke
Autoren: Leo Perutz
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zur Antwort. »In der Chrudimer Kirche.«
»Und in dieser Zeit hat sie euch nie gesagt, daß kein Zaruba von Zdar von des Kaisers Tisch ißt, noch je gegessen hat?« fuhr ihn der Peter Zaruba an. »Und sie hat euch nie von der Prophezeiung des Johannes Zischka erzählt?«
Der Georg Kaplir zuckte die Achseln.
»Vielleicht hat sie's dem Heinrich erzählt, das mag sein, mir hat sie's nicht erzählt«, sagte er. »Du siehst drein, als wäre dir damit, daß ich's nicht weiß, irgendein Unrecht angetan worden. Was ist das also für eine Prophezeiung?«
»Das war, als der Johannes Zischka im Sterben lag«, berichtete der Peter Zaruba, »im Pfibislauer Lager, wenn du dich erinnerst. Da ließ er seine Feldhauptleute kommen, und einen von ihnen, den Lischek Zaruba von Zdar, meinen Urahn, den rief er ganz nahe zu sich heran und sagte: >Ja, du bist der Zaruba, du bist der Lischek, ich erkenne dich an deinem Schritte Und weiter sagte er: >Ich hab' mein Werk nicht zu Ende gebracht, mir war's versagt, aber einer aus deinem Geschlecht, ein Zaruba von Zdar, der wird nicht ein Fuchs sein wie du, sondern ein Löwe, er wird's zu Ende bringen, er wird die heilige böhmische Freiheit wieder aufrichten, aber merk dir das eine, Lischek, merk es dir: Er soll nicht von des Kaisers Tisch essen, sonst ist's verspielt, dann ist er der Rechte nicht, und Blut und Jammer kommen über das Böhmerland. <«
»Und dann drehte er sich um und starb?« erkundigte sich der Kaplir.
»Ja, dann starb er«, bestätigte der Zaruba.
»Das tun sie nämlich immer, wenn sie ihre prophetischen Worte losgelassen haben«, meinte der Kaplir. »Aber sieh her, Peter, jede Familie hierzulande hat solche Historien. Was hat mir meine Großmutter nicht alles von den Kaplirs erzählt, wie einer den König Wenzel den Faulen unter den Tisch getrunken hat, drei Tage und zwei Nächte haben sie miteinander auf dem Wyschehrad gesoffen, die Helden, und ein anderer Kaplir hat den letzten böhmischen Drachen umgebracht, das Tierchen soll irgendwo in der Saazer Gegend gelebt haben, wo jetzt der Hopfen steht. Aber nimm schon an, daß die Geschichte heiligwahr ist — wahr wie das Evangelium —, wer sagt dir denn, daß der Zischka solch ein großer Prophet war? Ein Kriegs- und Freiheitsheld war er, das bestreit' ich nicht, aber daß er auch ein Prophet gewesen ist, davon hab' ich nichts gehört.«
»Vergiß nicht, der Zischka war blind, hat im Krieg erst das eine, dann das andere Auge verloren«, erklärte ihm der Zaruba. »Bisweilen verleiht Gott den Blinden prophetische Gaben, läßt sie mit dem geistigen Aug' in die Zukunft sehen. Und ich glaub' an Zischkas Prophezeiung, wie mein Vater und mein Großvater an sie geglaubt haben, ich glaub' daran, daß ein Zaruba unsere alte böhmische Freiheit wiederaufrichten wird, und vielleicht... Kurzum, ich esse nicht von des Kaisers Tisch.«
»Halt es damit, wie du willst«, sagte der Georg Kaplir. »Ich hab' ja nicht die böhmische Freiheit zu retten, ich halt's anders. Wo man mir aufspielt, dort tanz' ich, und wo man mir aufträgt, dort greif ich zu. Also mit Gott, Peter, du triffst mich heut abend in meiner Herberge.«
Und damit ging er.
Der Peter Zaruba war jetzt in einer recht verdrießlichen Laune. Er hatte damit gerechnet, daß ihn der reiche Georg Kaplir zum Mittagessen in seinen Gasthof bitten werden, weil das doch unter Verwandten so üblich war. Damit war es nun nichts. Er und zwei seiner Kommilitonen führten gemeinsamen Haushalt, eine Frau aus der Nachbarschaft besorgte ihnen die Küche. Es ging nicht gar hoch bei ihnen her. Wenn er jetzt nach Hause kam, erwartete ihn gehacktes Lungenfleisch in brauner Sauce und Küchlein oder Fladen, die mit Pflaumenmus bestrichen und mit Weißkäse bestreut waren. Aber dieser beiden groben Gerichte war er herzlich überdrüssig, er bekam sie mit ermüdender Regelmäßigkeit jede Woche am gleichen Tage vorgesetzt.
Wie er nun zur Moldaubrücke hinunterging, kam er an einem Wirtshausgarten vorbei, und der Wirt stand am Eingangspförtchen und dienerte und lachte ihn an. Der Peter Zaruba war ein sparsamer Mann und trug sein Geld nicht gern den Wirten zu. Doch dieser da sah so freundlich und vertrauenerweckend aus, als hätte er nur das Wohl seiner Gäste im Sinn, und der Zaruba dachte, den Kopf könnt's nicht kosten, und so blieb er stehen und fragte, was er zu essen haben könnt'.
»Ich weiß noch nicht, was mein französischer und mein italienischer Küchenmeister heute zuwege gebracht haben«, gab
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