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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke
Autoren: Leo Perutz
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der Wirt zur Antwort. »Aber das eine kann ich dem Herrn schon jetzt sagen: Es wird vier Haupt- und acht kleine Schüsseln geben und dazu noch ein letztes Gericht, das als Überraschung aufgetischt wird. Und für das alles wird der Herr drei böhmische Groschen zu bezahlen haben. Aber soweit ist es noch nicht. Eine halbe Stunde wird sich der Herr bis zum Essen noch gedulden müssen.«
Der böhmische Groschen war kein geringes Geld, sondern eine breite und gewichtige Silbermünze. Aber für solch eine Mahlzeit mit vier Haupt- und acht Nebenschüsseln und einer Überraschung noch hinterher waren drei Groschen nicht viel, und so trat der Peter Zaruba in den Garten und nahm an einem der schon gedeckten Tische Platz.
Es waren noch acht oder neun andere Gäste im Garten, die schienen einander alle zu kennen, sprachen von Tisch zu Tisch miteinander, und keiner von ihnen bezeigte Ungeduld darüber, daß das Essen so ungebührlich lange auf sich warten ließ. Denn es war fast eine Stunde vergangen, als endlich der Wirt an den Tisch des Peter Zaruba trat und sich die Ehre ausbat, dem hochedelgeborenen Herrn in eigner Person aufwarten zu dürfen. Zugleich stellte er die erste von den verheißenen zwölf Schüsseln auf den Tisch und sagte:
»Der Herr lasse es sich wohl bekommen. Eine feine Wildsuppe oder potage chasseur.«
Nach der Suppe trug er zweierlei Eierkuchen auf. Der eine war nach Bauernart, der andere mit Schnittlauch und Kerbelkraut zubereitet. Dann kamen zwei weitere Vorgerichte: Karpfenmilch mit Trüffeln und ein Chaudfroid aus gehacktem Hühnerfleisch.
Nach einer kleinen Pause erschien, feierlich vom Wirt serviert, das erste von den vier Hauptgerichten: Gespickter und gefüllter Hecht. Dann gab es Nierenschnitten am Spies gebraten, Spargel in Fleischbrühensauce, junge Zuckererbsen und eine kalte Schüssel: Kalbszünglein und gefüllten Schweinsfuß.
Der Peter Zaruba dachte mit ein wenig Mitleid an seine beiden Kommilitonen, die sich heute an gehacktem Lungenfleisch und Pflaumenmusfladen sattessen mußten. Er bedauerte es auch nicht mehr, daß ihn der Kaplir nicht in seinen Gasthof geladen hatte, denn so gut wie hier hätte er es dort nicht getroffen. Von dem Fasanenmischgericht, das der Wirt ihm jetzt anbot, kostete er nur. Dann kam die angekündigte Uberraschungsschüssel: Wachteln auf gerösteten und mit Ochsenmark bestrichenen Brotschnitten. Zum Schluß gab es noch Marzipankügelchen mit Zuckerguß, welsche Trauben und scharfen ungarischen Büffelkäse.
Der Peter Zaruba war jetzt ein wenig müde und schläfrig geworden. Er saß und träumte vor sich hin, so, dachte er, speist vielleicht der Abt des Strahover Klosters an den hohen Festtagen. Aber trotz der Schlafsucht, die über ihn gekommen war, gewahrte er den Georg Kaplir, der mit zornrotem Gesicht die Gasse herunterkam und im Gehen mit sich selber sprach und gestikulierte.
Er rief ihn an.
»He, Georg! Komm herein, Georg! Hier bin ich.«
Der Georg Kaplir blieb stehen und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Dann kam er in den Garten. Er nickte dem Zaruba zu und stützte sich mit der Hand auf die Tischplatte.
»Hast du hier auf micht gewartet, Peter?« fragte er. »Das ist gut, daß ich einen habe, mit dem ich reden kann. Peter, ich habe soviel Arger mit denen oben gehabt, nicht eine Unze mehr hätt' ich davon ertragen können.«
»Was für Ärger?« fragte der Peter Zaruba mit einem leichten Gähnen.
Der Georg Kaplir ließ sich ächzend in einen Stuhl fallen.
»Mit dem Osterstock«, berichtete er. »Er sagte, er könnt' mir nichts bezahlen, er hätt's nicht. Redete des langen und breiten, wie schwer sie's in der Burg hätten mit dem Geld und ich sollt' doch um der nahen Verwandtschaft willen Geduld mit ihm haben und ein andermal kommen.«
»Seid ihr denn so nahe Verwandte, du und der Osterstock?« fragte der Zaruba verschlafen.
»Verwandte?« rief der Kaplir entrüstet. »Meines Großvaters Hahn hat vielleicht einmal in seiner Mutter Hühnerhof hineingekräht, das ist unsere Verwandtschaft. Und dann hat er mich zum ersten Sekretär geführt, und das ganze Hin und Her >Wir haben's nicht und woher nehmen!« hat wieder von vorn begonnen. Und der Herr Sekretär hat mir gezeigt, wie man auf allen Seiten vom Kaiser Geld begehrt, hat mich ein ganzes Konvolut von Bittgesuchen und Beschwerdebriefen sehen lassen —, Himmel, da geht es zu! Ja, Peter, wohin läuft des Kaisers Geld? Der Herr von Kollonitsch, Kriegsoberster in Ungarn, braucht's, um die Grenzhäuser
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