Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Titel: Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
Dachterrasse, die Kinder hockten wie Einsiedler in ihren Zimmern und be-reiteten sich auf ihre Jahresabschlußprüfungen vor. Im Westen hatte das Tageslicht sich längst von ihnen allen verabschiedet, zurückgeblieben waren nur noch Geräusche und die Erinnerung an Gestalt und Konturen.
    »Was wird sie jetzt machen?« erkundigte Paola sich.
    »Wer, Anna?« fragte er, mit den Gedanken noch bei Bonsuans Witwe.
    »Nein, die hat ihre Familie. Elettra.«
    Überrascht ob der Frage antwortete er: »Das weiß ich nicht. Ich habe darüber noch nicht nachgedacht.«
    »Ist er denn tot, der junge Mann?« fragte sie.
    »Man sucht ihn«, konnte Brunetti darauf nur antworten.
    »Wer?«
    »Die Guardia di Finanza hat zwei Boote nach ihm ausgeschickt, wir auch eines.«
    »Und?« fragte Paola, die diese Art Antwort schon kannte.
    »Ich glaube nicht daran. Nicht nach so einem Sturm.«
    Paola wußte darauf nichts zu sagen und fragte statt dessen: »Und der Onkel?«
    Brunetti hatte darüber schon die ganzen letzten Stunden nachgedacht. »Ich glaube nicht, daß wir auf Pellestrina jemanden finden, der zugibt, etwas über die Morde zu wissen. Selbst wenn es um einen wie Spadini geht, machen die Leute den Mund nicht auf.«
    »Mein Gott, und wir meinen immer, die von der omertà Verkrüppelten säßen alle im Süden«, rief Paola. Als Brunetti darauf nicht einging, fragte sie: »Und der Mord an Bonsuan?«
    »Da wird er sich auf keinen Fall herauswinden können.
    Er wird dafür zwanzig Jahre bekommen«, sagte Brunetti und dachte, wie wenig sich dadurch wirklich änderte.
    Beide schwiegen lange.
    Endlich fragte Paola, um ihre Gedanken wieder dem Leben zuzuwenden: »Wird Elettra darüber hinwegkommen?«
    »Das weiß ich nicht«, räumte Brunetti ein und überraschte sich dann selbst mit dem Zusatz: »So gut kenne ich sie ja eigentlich nicht.«
    Darüber dachte Paola erst einmal ausgiebig nach, und schließlich meinte sie: »So richtig kennen wir sie eigentlich nie.«
    »Wen?«
    »Die echten Menschen.«
    »Was verstehst du unter ›echten‹ Menschen?«
    »Im Gegensatz zu Romanfiguren«, erklärte Paola. »Das sind die einzigen, die wir jemals gut kennen, richtig kennen.« Wieder ließ sie ihm einen Augenblick zum Nachdenken und sagte dann: »Vielleicht liegt das daran, daß sie die einzigen sind, über die wir zuverlässige Informationen bekommen.« Sie sah ihn an und fuhr dann fort, ganz als stünde sie vor ihren Studenten und wollte sehen, ob sie ihr noch folgten: »Erzähler lügen nie.«
    »Und wie kenne ich dich?« fragte er fast empört, denn all das schien ihm so dahingesagt, vielleicht waren es aber auch die Umstände, unter denen sie es angeschnitten hatte. »Kenne ich dich denn auch nicht richtig?«
    Sie lächelte. »So gut wie ich dich.«
    Er sprang sofort darauf an. »Diese Antwort gefällt mir nicht.«
    »Das spielt keine Rolle, mein Lieber.« Sie schwiegen wieder. Nach einer ganzen Weile legte sie ihm die Hand auf den Arm. »Sie schafft das schon, solange sie noch die Gewißheit hat, daß ihre Freunde sie lieben.«
    Es fiel Brunetti nicht ein, ihren Gebrauch des Wortes »lieben« in Frage zu stellen.
    »Das tun wir ja.«
    »Ich weiß«, sagte Paola und ging nach den Kindern sehen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher