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Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Titel: Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune
Autoren: Donna Leon
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Kinderbüchern. Wenn man in der strahlenden Sommersonne an ihnen vorbeigeht, möchte man den Arm ausstrecken und ihre Nasen streicheln, wie man es bei einem ausnehmend netten Pony oder einem besonders liebenswerten Labrador täte.
    Auf das ungeschulte Auge wirken diese Boote alle mehr oder weniger gleich mit ihren ehernen Masten und den metallenen Sieben am Bug, die in die Luft ragen, wenn das Boot im Hafen liegt. Die viereckigen Rahmen der Siebe sind mit Draht bespannt, starkem Draht, weil er Steinen und allen möglichen anderen Hindernissen auf dem Meeresboden standhalten muß, natürlich auch dem Meeresboden selbst, den er aufgräbt, wenn er sich unter die Muschelkolonien schiebt und die Schalentiere kiloweise aus dem Wasser holt, große und kleine, gefangen auf diesem Tablett, während Sand und Wasser durch das Sieb zurückplatschen in die Lagune.
    Die sichtbaren Unterschiede zwischen den Booten sind unbedeutend: Mal ist das Muschelsieb größer, mal kleiner als an dem Boot nebenan; Rettungsbojen schreien nach einem neuen Anstrich oder glänzen satt von frischer Farbe; hier ist ein Deck so sauber, daß es in der Sonne funkelt, daneben ist eines voller Rostflecken an den Kanten. Tagsüber schaukeln die Boote von Pellestrina nebeneinander in gemütlicher Promiskuität. Ihre Besitzer wohnen in ähnlicher Nähe zueinander in den niedrigen Häusern, die sich vom einen Ende des Dorfes bis zum anderen und von der Lagune bis zum Meer erstrecken.
    Anfang Mai brach gegen halb vier Uhr nachts in der Kabine eines dieser Boote, der Squallus, ein kleines Feuer aus. Besitzer und Kapitän des Bootes war Giulio Bottin, der in der Via Santa Giustina 242 wohnte. Die Männer von Pellestrina sind nicht mehr ganz und gar von der Kraft der Winde und Gezeiten abhängig und darum auch nicht mehr darauf angewiesen, bei günstigen Bedingungen auszulaufen, aber jahrhundertealte Gewohnheiten sterben nicht so leicht aus, und so stehen die meisten Fischer früh auf und legen im Morgengrauen ab, als bestimme noch immer der Morgenwind darüber, wieviel Fahrt sie machen. Es blieben noch zwei Stunden, bis die Fischer von Pellestrina - die jetzt zu Hause und in ihren Betten schliefen - aufstehen mußten, und so lagen sie alle noch im tiefsten Schlaf, als auf der Squallus das Feuer ausbrach. Die Flammen breiteten sich gemächlich über den Kabinenboden aus und erreichten die hölzernen Seitenleisten und das Steuerpult aus Teakholz. Teak ist ein hartes Holz und brennt langsamer als weichere Holzarten, aber bei höherer Temperatur, und die Flammen, die am Steuerpult hinaufkrochen, am Kabinendach emporzüngelten und zum Deck vordrangen, breiteten sich mit beängstigendem Tempo aus, kaum daß sie diese weicheren Hölzer erreichten. Sie brannten ein Loch ins Kabinendach, brennende Holzteile fielen in den Maschinenraum, eines davon auf einen Haufen ölgetränkter Lappen, die sofort aufloderten und den Brand zuvorkommend in Richtung Kraftstoffleitung weiterreichten.
    Langsam fraß sich das Feuer an die dünne Leitung heran, langsam verbrannte es das umgebende Holz, und als dieses zu Asche zerfiel, schmolz eine kleine Lötstelle durch, und es entstand eine Öffnung, aus der Kraftstoff lief und den Flammen Nahrung gab, worauf sie sich mit rasender Geschwindigkeit in Richtung Motor und Doppeltank ausbreiteten.
    Keiner von denen, die in dieser Nacht in Pellestrina schliefen, ahnte etwas von der Ausbreitung des Feuers, aber sie alle wurden hochgeschreckt, als die Tanks der Squallus explodierten, ein greller Lichtschein die Nacht erhellte und Sekunden später die Luft von einem so lauten Knall erzitterte, daß am nächsten Tag sogar Leute im fernen Chioggia behaupteteten, sie hätten ihn gehört.
    Feuer macht angst, überall, aber aus irgendeinem Grund ist es noch furchterregender auf See, oder überhaupt auf dem Wasser. Die ersten Leute, die aus ihren Schlafzimmerfenstern schauten, sagten hinterher, sie hätten das Boot in dicken, öligen Rauch gehüllt gesehen, der sich lichtete, als das Wasser den Brand löschte. Inzwischen aber hatten die Flammen Zeit gehabt, sich durch den Rumpf der Squallus zu fressen und auf die beiden Boote überzugreifen, die daneben lagen und schon zu schwelen anfingen, und die explodierenden Tanks hatten ihren Inhalt in tödlichen Bögen ausgespien, nicht nur auf die Decks der Nachbarboote, sondern auch auf den Anlegeplatz davor, wo drei Holzbänke in Brand gerieten.
    Auf den Knall aus den Treibstofftanks der Squallus folgte ein
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