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Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde
Autoren: Donna Leon
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etwas mit diesem vulgären Bestechungssystem zu tun haben könnte, das Rossi offenbar im Ufficio Catasto entdeckt hatte. »Die Dolfins tun nie etwas für Geld.« Das glaubte Brunetti unbesehen. Dal Carlo mit seiner einstudierten Unsicherheit angesichts der Frage, ob einem Mitarbeiter des Ufficio Catasto Bestechlichkeit zuzutrauen wäre, nur er konnte das von Rossi bloßgelegte System aufgebaut haben.
    Was hatte der arme, dumme, tödlich ehrliche Rossi getan - dal Carlo mit seinen Beweisen konfrontiert, ihm mit Anzeige gedroht? Und hatte er es bei offener Tür getan, so daß dieser Vorzimmerdrache im Twinset, diese Frau mit zwanzig Jahre alter Frisur und ebenso alter unerfüllter Sehnsucht, mithören konnte? Und Cappelli? Hatten seine Telefongespräche mit Rossi auch ihm den vorzeitigen Tod gebracht?
    Brunetti zweifelte nicht, daß Loredana Dolfin ihrem Bruder längst eingetrichtert hatte, was er im Falle einer Vernehmung sagen sollte; sie hatte ihn ja auch davor gewarnt, ins Krankenhaus zu gehen. Da hätte sie wohl kaum von einer »Falle« gesprochen, wenn sie nicht gewußt hätte, wie er an diesen verräterischen Biß in den Unterarm gekommen war. Und er, der arme Tropf - ihn hatte seine Angst vor einer Infektion so umgetrieben, daß er ihre Warnung in den Wind geschlagen hatte und in Brunettis Falle gegangen war.
    Dolfin war genau in dem Augenblick verstummt, als er im Plural zu sprechen anfing. Brunetti glaubte mit Bestimmtheit zu wissen, wer der andere Teil in diesem verhängnisvollen »wir« war, aber er wußte auch, daß es keine Hoffnung mehr gab, diesen weißen Fleck zu füllen, wenn Loredanas Anwalt erst mit Giovanni gesprochen hätte.
    Eine knappe Stunde später klingelte sein Telefon, und man teilte ihm die Ankunft Signorina Dolfins und Avvocato Contarinis mit. Er bat darum, sie zu ihm heraufzubringen.
    Die Signorina, geführt von einem der uniformierten Polizisten, die am Eingang der Questura Wache standen, war zuerst oben. Ihr auf den Fersen folgte Contarini, übergewichtig und stets lächelnd, ein Mann, der jederzeit den richtigen Dreh fand, damit sein jeweiliger Mandant von jedem Schlupfloch im Gesetz profitierte.
    Brunetti empfing die beiden an der Tür zu seinem Zimmer, machte aber keine Anstalten, sie mit Handschlag zu begrüßen, sondern verzog sich sogleich wieder hinter seinen Schreibtisch.
    Dann blickte er zu Signorina Dolfin hinüber, die sich hinsetzte, die Füße fest zusammen, den Rücken kerzengerade, aber ohne dabei die Stuhllehne zu berühren, die Hände auf ihrer Handtasche gefaltet. Sie erwiderte seinen Blick, sagte aber nichts. Sie kam ihm nicht anders vor als neulich in ihrem Büro: tüchtig, angejahrt, interessiert an den Dingen, die um sie herum vorgingen, aber nirgendwo so recht mit dem Herzen dabei.
    »Und was glauben Sie nun in bezug auf meinen Mandanten entdeckt zu haben, Commissario?« fragte Contarini mit liebenswürdigem Lächeln.
    »Bei einer auf Tonband aufgenommenen Vernehmung heute nachmittag hier in der Questura«, antwortete Brunetti, »hat er zugegeben, Franco Rossi getötet zu haben, einen Mitarbeiter des Ufficio Catasto, in dem...« - hier nickte Brunetti zu Loredana hinüber - »... Signorina Dolfin als Sekretärin arbeitet.«
    Contarini schien das nicht zu interessieren. »Sonst noch etwas?« fragte er.
    »Er hat ferner zugegeben, später in Begleitung eines gewissen Gino Zecchino an den Tatort zurückgekehrt zu sein und mit ihm gemeinsam die Spuren des Verbrechens beseitigt zu haben. Des weiteren hat er ausgesagt, daß dieser Zecchino ihn danach zu erpressen versuchte.« Nichts von dem, was Brunetti bisher gesagt hatte, schien seine beiden Gegenüber sonderlich zu interessieren. »Zecchino wurde später im selben Haus ermordet aufgefunden, desgleichen eine junge Frau, die wir noch nicht identifizieren konnten.«
    Als Contarini den Eindruck hatte, daß Brunetti fertig war, nahm er seine Aktentasche auf den Schoß, öffnete sie und begann in den Papieren zu kramen. Es erinnerte Brunetti so sehr an Franco Rossis pedantische Art bei seinem Besuch, daß er eine regelrechte Gänsehaut bekam. Endlich fand Contarini das Schriftstück, das er suchte, und zog es mit einem erfreuten kleinen Schnauben heraus. Dann reichte er es Brunetti über den Schreibtisch. »Wie Sie sehen, Commissario«, begann er, wobei er auf das Siegel zeigte, ohne das Blatt aber loszulassen, »ist dies eine Bescheinigung des Gesundheitsministeriums von vor über zehn Jahren...« Er rückte seinen
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