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Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde
Autoren: Donna Leon
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verstehen, wovon ich sprach. Es hätte mit Loredana gar nichts zu tun, hat er gesagt. Nein, es ginge um diesen anderen Mann. Aber davor hatte sie mich ja schon gewarnt, daß er lügen und mir weismachen würde, es ginge um irgend jemand anderen im Katasteramt, ich war also gewappnet. Ich wußte, daß er es in Wirklichkeit auf Loredana abgesehen hatte, weil er neidisch auf sie war.« Er setzte bei diesen Worten eine Miene auf, wie er sie bei Leuten gesehen haben mußte, die etwas von sich gaben, wovon man ihm hinterher sagte, es sei sehr klug gewesen, und wieder hatte Brunetti den Eindruck, daß ihm jemand diesen Text eingetrichtert hatte.
    »Und?«
    »Er hat mich einen Lügner genannt und wollte mich wegschubsen, um an mir vorbeizugehen. ›Aus dem Weg‹ hat er gesagt. Wir waren in diesem Haus.« Jetzt riß er ganz weit die Augen auf - in Erinnerung an die Geschehnisse danach, dachte Brunetti, aber wie sich zeigte, betraf es den Skandal, über den zu berichten er sich soeben anschickte: »Und er hat mich geduzt. Er wußte, daß ich ein Conte bin, und trotzdem hat er mich geduzt.« Dolfin sah Brunetti an, als wollte er ihn fragen, ob ihm so etwas je zu Ohren gekommen sei.
    Brunetti, dem so etwas noch nie zu Ohren gekommen war, schüttelte nur stumm den Kopf, als könnte er es nicht fassen.
    Da Dolfin nicht geneigt schien weiterzuerzählen, fragte Brunetti mit echter Neugier in der Stimme: »Was haben Sie dann getan?«
    »Ich habe ihm gesagt, daß er lügt und nur Loredana schaden will, weil er neidisch auf sie ist. Da hat er mich wieder geschubst. Das hat bei mir noch keiner gewagt.«
    Brunetti entnahm dem Ton, in dem Dolfin das sagte, daß er offenbar glaubte, die Leute machten wegen seines Titels einen respektvollen Bogen um ihn, nicht wegen seiner Körpergröße.
    »Und wie er mich da schubste, habe ich einen Schritt rückwärts gemacht und bin dabei mit dem Fuß an ein Rohr gestoßen, das auf dem Boden lag. Es ist weggerollt, und ich bin hingefallen. Und als ich wieder aufstand, hatte ich das Rohr auf einmal in der Hand. Schlagen wollte ich ihn ja, aber ein Dolfin schlägt nie von hinten zu, darum habe ich ihm nachgerufen, damit er sich umdreht. Da hat er die Hand gehoben, um mich zu schlagen.« An dieser Stelle verstummte Dolfin, aber die Fäuste auf seinem Schoß öffneten und schlossen sich unentwegt, als hätten sie plötzlich ein Eigenleben bekommen.
    Als er Brunetti wieder ansah, war es in seiner Erinnerung eindeutig schon eine ganze Weile später, denn er sagte: »Da wollte er wieder aufstehen. Wir waren am Fenster gewesen, und die Läden standen offen. Die hatte er aufgemacht, als er ins Haus ging. Er ist hingekrochen und hat sich daran hochgezogen. Ich war nicht mehr wütend«, sagte er ganz ruhig und leidenschaftslos. »Unsere Ehre war ja gerettet. Also bin ich hingegangen, um zu sehen, ob ich ihm helfen kann. Aber er hatte Angst vor mir, und als ich auf ihn zuging, wollte er mir ausweichen, und dabei ist er mit den Kniekehlen an die Fensterbank gestoßen und gestürzt. Ich hab noch versucht, ihn zu packen und festzuhalten, wirklich«, sagte er und machte vor, wie seine langen, flachen Finger mehre Male ins Leere gegriffen hatten. »Aber er fiel und fiel, und ich konnte ihn nicht festhalten.« Er zog die Hand zurück und hielt sich mit der anderen die Augen zu. »Und dann ist er unten aufgeschlagen. Es hörte sich sehr laut an. Aber plötzlich war jemand an der Zimmertür, und ich kriegte große Angst. Ich wußte ja nicht, wer das war. Da bin ich die Treppe hinuntergerannt.« Er brach ab.
    »Wohin sind Sie gegangen?«
    »Nach Hause. Es war schon Mittag vorbei, und Loredana macht sich immer Sorgen, wenn ich zu spät komme.«
    »Haben Sie es ihr erzählt?« fragte Brunetti.
    »Ob ich ihr was erzählt habe?«
    »Was vorgefallen war.«
    »Ich wollte es ihr nicht sagen. Aber sie hat es gemerkt.
    Sie hat es daran gemerkt, daß ich nichts essen konnte. Da mußte ich ihr erzählen, was passiert war.«
    »Und was hat sie gesagt?«
    »Sie hat gesagt, daß sie sehr stolz auf mich ist«, antwortete er strahlend. »Sie hat gesagt, ich habe unsere Ehre verteidigt, und was dann passiert ist, war ein Unfall. Er hat mich geschubst. Ich schwöre bei Gott, das ist die Wahrheit. Er hat mich umgestoßen.«
    Giovanni warf einen nervösen Blick zur Tür und fragte: »Weiß sie, daß ich hier bin?«
    Als er Brunetti den Kopf schütteln sah, fuhr er sich mit der einen Riesenhand an den Mund und klopfte sich ein paarmal an die
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