Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder Des Zorns

Brüder Des Zorns

Titel: Brüder Des Zorns
Autoren: John Maddox Roberts
Vom Netzwerk:
und Nacht ausführen ließ. Man brachte Fyana zu einem Zeltlager am Rande des Platzes. Vor dem größten Zelt hielten sie an. Ein hochgewachsener Shasinn trat vor und scheuchte die Wachen mit einer Handbewegung beiseite.
    »Wer bist du?« fragte er. Es war der erste Shasinn, den sie aus der Nähe zu Gesicht bekam. Im flackernden Licht eines Feuers sah er wie eine Bronzestatue aus. Das lange Haar fiel ihm wirr über die Schultern.
    »Ich bin Lady Fyana aus der Schlucht. Ich möchte Königin Larissa sprechen.«
    Er musterte sie zweifelnd. »Ich weiß, dass sie dich um diese Zeit bestimmt nicht empfangen wird. Warte an einem der Feuer. Bei Nacht ist die Stadt ein gefährlicher Ort, aber hier bist du in Sicherheit. Bald geht die Sonne auf.«
    »Ich danke dir. Kann ich mein Cabo irgendwo tränken?« Sie tätschelte den Hals des Tieres, und es grunzte zufrieden. Der Blutgeruch hatte es verängstigt, aber jetzt war die Angst überstanden.
    »Da drüben ist ein Brunnen.« Er deutete auf einen spärlich erleuchteten Winkel am Rande des Platzes. Dann ging er wortlos davon.
    Sie brachte das Cabo zum Brunnen und bemerkte, dass die herumsitzenden Shasinn ihr wenig Beachtung schenkten. Sie legten Wert darauf, sich nicht um in ihren Augen minderwertige Menschen zu kümmern, und dafür war sie im Augenblick sehr dankbar. In dem flackernden Licht erkannte man weder ihre Hautfarbe noch ihre Augen. Hätten sie gemerkt, dass sie bläulich schimmerte, hätten sie sich gewiss nach ihr umgedreht.
    Nachdem Fyana das Cabo getränkt hatte, band sie es an einen Pfosten und wusch sich, so gut es ging, ohne ihre Kleider abzulegen. Sie wollte so gut wie möglich aussehen, wenn sie Gasam und Larissa gegenüberstand. Anschließend setzte sie sich auf den Brunnenrand und dachte nach. Wo war Ansa? Wahrscheinlich war er in einem der Zelte, vielleicht sogar im Zelt des Königs. Es war von wachsamen Shasinn umgeben, und es bestand keine Möglichkeit, sich ihm unauffällig zu nähern. Vielleicht hatte man ihn auch in einen Keller gesperrt. Es gab keine Anhaltspunkte für seinen Aufenthaltsort.
    Später führte sie ihr Cabo in die Nähe eines kleinen Feuers und sattelte es ab. Überall lagen schlafende Krieger herum, und ein paar Wachsoldaten, die am Feuer hockten, blinzelten sie schläfrig an. Ihre Gesichter waren von Erschöpfung gezeichnet, und sie hatte nichts von ihnen zu befürchten. Es waren keine Shasinn, sondern Angehörige einer ihr unbekannten Rasse. Ihre ganze Kraft war im Kampf und während der Plünderungen und Morde der letzten Tage verbraucht worden.
    Fyana breitete ihre Decken auf dem Pflaster aus, streckte sich aus und legte den Kopf auf den Sattel. Seltsame Stille lag über dem Platz. Sie hörte leise Unterhaltungen, das Knacken des Feuers und hin und wieder das dumpfe Dröhnen eines Steinbrockens, der zu Boden fiel. Sie versuchte, sich auf die vor ihr liegende Aufgabe vorzubereiten. Gasam und Larissa waren anders als gewöhnliche Menschen, und so verbannte sie alle Vergleiche aus ihren Gedanken. Sie würde sich ganz auf ihr Urteilsvermögen verlassen. Außerdem musste sie sich überlegen, was sie den beiden bieten konnte. Sie wollte Ansa befreien und hatte nur ihre Fähigkeiten und das, was die beiden für nützlich halten mochten. Fyana besann sich auf alles, was sie an Wissen besaß und was ihre Ausbildung sie gelehrt hatte. Sie musste ihre ganze Menschenkenntnis aufbieten, um vor dieser Herausforderung zu bestehen und um herauszufinden, wo die Schwächen der beiden lagen, was sie brauchten und was sie sich wünschten. Außer der Fähigkeit, Krankheiten durch Berührungen zu erkennen, besaß Fyana keinerlei magische Kenntnisse. Der Ruf der Schluchtbewohner eilte ihnen voraus, und manchmal versetzte der Glaube Berge und diente als Waffe. Irgendwann schlief sie ein.
    Im Morgengrauen erwachte sie von den ersten Geräuschen des neuen Tages. Essengeruch lag in der Luft, und Fyana rieb sich die Augen. Im Dämmerlicht sah sie das wahre Ausmaß der Vernichtung, die sie umgab. Die meisten der umliegenden Gebäude waren nur noch hohe Schutthaufen. Eindeutig waren sie nicht im Kampf beschädigt worden, also ließ der verrückte König die Stadt, die ihm inzwischen gehörte, Stück für Stück vernichten. Sie erhob sich und ging zum Brunnen hinüber, wo bereits Krieger und Sklaven standen. Als sie sich Gesicht und Hände wusch, erntete sie bedeutend neugierigere Blicke als am Vorabend. Die Besonderheit der Schluchtler fiel nur bei Tageslicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher