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Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Titel: Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
Autoren: Ellis Peters
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Als er getötet wurde, war er im Vollbesitz seiner Kräfte, aber das war nicht genug. Nein, er wurde nicht ermordet. Jemand trat ihm in den Weg und forderte ihn zum Zweikampf heraus. Picard hatte einen Dolch, sein Gegner hatte nur seine Hände. Zweifellos glaubte Picard sich im Vorteil: Ein bewaffneter Mann gegen einen unbewaffneten, ein Mann in den besten Jahren gegen einen Siebzigjährigen. Er hatte Zeit, seinen Dolch zu ziehen, aber das war auch alles. Die Waffe wurde ihm entwunden und fortgeworfen, nicht gegen ihn gerichtet. Zwei Hände reichten aus, ihn zu töten. Er hatte vergessen, wieviel Kraft ein Mensch hat, der für eine gerechte Sache kämpft.«
    »Dann muß es einen schwerwiegenden Grund für diesen Streit zwischen den beiden gegeben haben«, sagte Lazarus nach einem langen Schweigen.
    »Den ältesten und schwerwiegendsten: Eine Frau ist schamlos ausgenutzt worden. Aber nun ist sie gerächt. Der Himmel macht keine Fehler.«
    Wieder schwiegen die beiden Männer, aber das Schweigen senkte sich leicht und sanft auf sie herab wie ein Schleier, der das Gesicht einer jungen Frau verhüllt, oder wie eine Motte, die aus dem Dunkel herbeifliegt und sich geräuschlos im Licht einer Lampe niederläßt. Die Augen des alten Mannes richteten sich wieder auf die kleinen Wölkchen, die langsam und stetig gen Osten zogen. Über ihnen leuchteten diffus einige Sterne, während die Erde im Dunkel lag. Hinter dem verwaschenen blauen Gesichtstuch glaubte Cadfael ein fast unmerkliches, beruhigtes Lächeln wahrzunehmen.
    »Und nachdem Ihr so viel über diese Tat herausgefunden habt«, sagte Lazarus schließlich, »wissen andere dann nicht ebensoviel wie Ihr?«
    »Keinem anderen ist aufgefallen, was ich gesehen habe«, antwortete Cadfael, »und kein anderer wird je etwas herausfinden. Die Würgemale werden verschwinden. Niemand wird Fragen stellen, und nur ich weiß, was ich weiß. Nur ich und der, der Picard getötet hat, wissen, daß der Täter an der linken Hand nur zweieinhalb Finger hat.«
    Die blaugrauen Augen des alten Mannes blitzten, und unter dem weiten Gewand bewegte sich etwas. Zwei Hände kamen zum Vorschein, und im Licht der Lampe war deutlich zu sehen, daß die Rechte unversehrt, groß und sehnig war, während an der Linken der Zeigefinger, der Mittelfinger und das letzte Glied des Ringfingers fehlten. Die vernarbten Stümpfe waren trocken und schimmerten hell.
    »Nachdem Ihr nun aus so wenigen Anhaltspunkten so viel geschlossen habt, Bruder«, sagte die langsame, ruhige Stimme, »verratet mir noch eines: Wie heißt der Mann, der Picard getötet hat? Ich glaube, Ihr kennt seinen Namen.«
    »Das glaube ich auch«, sagte Bruder Cadfael. »Sein Name ist Guimar de Massard.«
    Reglos hing die Nacht über der Klostersiedlung, der Bachniederung und dem Wald, den der Sheriff und seine Männer vergeblich durchsucht hatten. Den scharfen, graublauen Augen war es nicht schwer gefallen, Picard, der an seiner roten Kappe zu erkennen war, auszumachen und den Weg zu verfolgen, den er nahm und auf dem er wieder zum Kloster zurückkehren würde. Die Stille der Nacht stand im Gegensatz zu der Bewegung am Himmel, wo die Wolken so rastlos dahinzogen wie ein Mensch, der die Welt durchwandert und im Unbekannten verschwindet.
    »Sollte ich diesen Namen kennen?« fragte Lazarus fast unhörbar.
    »Mylord, auch ich war bei der Erstürmung Jerusalems dabei.
    Als die Stadt fiel, war ich zwanzig Jahre alt. Ich sah Euch am Tor kämpfen. Auch beim Kampf um Askalon war ich dabei, als die Fatimiden von Ägypten uns angriffen - und nach dem Blutbad, das wir Christen nach dem Fall von Jerusalem unter den Anhängern des Propheten angerichtet hatten, war ich der Meinung, sie hätten mehr Kriegsglück verdient gehabt.
    Niemand aber hat je sagen können, Guimar de Massard habe irgend etwas Unmenschliches oder Unehrenhaftes getan.
    Warum, warum seid Ihr nach jenem Kampf verschwunden?
    Warum habt Ihr uns, die wir Euch verehrten, warum habt Ihr Eure Frau und Euren Sohn hier in England um Euch trauern lassen? Hatten wir das denn verdient?«
    »Hätte meine Frau, hätte mein Sohn es verdient gehabt, mit jenem Schicksalsschlag belastet zu werden, der mich getroffen hatte?« fragte Lazarus erregt. Die ungewohnten Worte kamen ihm nur mit Mühe über die Lippen. »Ich glaube, Bruder, Ihr kennt bereits die Antwort auf Eure Frage.« Ja, Cadfael kannte sie. Guimar de Massard, der in Askalon verwundet und gefangengenommen worden war, hatte von den Ärzten, die ihn
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