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Bronzeschatten

Bronzeschatten

Titel: Bronzeschatten
Autoren: Lindsey Davis
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eine von diesen Spelunken, wo man eine Ewigkeit auf sein Getränk warten mußte, weil die alte Fettel es sogar für einen Ausländer jeweils frisch zubereitete. Soviel Gastfreundschaft machte mich leicht verdrießlich und unvorsichtig; beides Empfindungen, die mir nur allzu vertraut waren.
    Die Frau trollte sich wieder, und ich blieb mit meinem Becher allein.
    Ich faltete die Hände und dachte über das Leben nach. Da ich zu müde war, um das Leben im allgemeinen in Angriff zu nehmen, beschränkte ich mich auf mein eigenes.
    Ich war deprimiert. Meine Arbeit war grauenhaft, und das Gehalt spottete jeder Beschreibung. Obendrein stand ich kurz davor, die Affäre mit einer jungen Frau zu beenden, die ich noch kaum kannte und eigentlich nicht verlieren wollte. Sie hieß Helena Justina. Sie war die Tochter eines Senators, und daß sie sich mit mir traf, war nicht direkt verboten, trotzdem hätte es einen schönen Skandal gegeben, wenn ihre Freunde dahintergekommen wären. Es war eine von diesen Katastrophenbeziehungen, die man anfängt mit dem Wissen, daß sie keine Zukunft haben, und dann sofort wieder abbricht, weil eine Fortsetzung noch schmerzhafter ist als die Trennung.
    Ich hatte keinen Schimmer, was ich ihr jetzt sagen sollte. Sie war ein wunderbares Mädchen. Ihr unerschütterliches Vertrauen zu mir stürzte mich in Verzweiflung. Trotzdem spürte sie wahrscheinlich, daß ich dabei war, mich von ihr zu lösen. Und die Gewißheit, daß sie die Situation bereits durchschaut hatte, war alles andere als hilfreich beim Verfassen meiner Abschiedsrede …
     
    Ich wollte vergessen, und darum nahm ich einen kräftigen Schluck. Aber als der heiße Zimt meinen Gaumen kitzelte, weckte das die Erinnerung an das Lagerhaus. Plötzlich fühlte meine Zunge sich an wie ein Reibeisen. Ich ließ den Becher stehen, warf ein paar Münzen auf den Teller und rief Adieu. Ich war schon auf dem Weg nach draußen, als eine Stimme hinter mir laut »Danke!« sagte. Nachdem ich mich umgedreht hatte, blieb ich dann allerdings.
    »Nicht der Rede wert, Schätzchen! Kann die Frau, die mich zuerst bedient hat, zaubern, oder bist du jemand anders?«
    »Ich bin ihre Tochter!« Sie lachte.
    Man konnte sehen, daß sie’s war (jedenfalls so ungefähr). In zwanzig Jahren mochte dieser bildschöne, schlanke Körper genauso reizlos aussehen wie der ihrer Mama – aber bis dahin würde sie noch ein paar faszinierende Phasen durchlaufen. Jetzt war sie etwa neunzehn, ein Stadium, das mir besonders gefiel. Die Wirtstochter war größer als ihre Mutter, was ihre Bewegungen anmutiger erscheinen ließ; sie hatte große dunkle Augen und kleine weiße Zähne, einen frischen Teint, trug Glitzerohrringe und jene Miene vollkommener Unschuld, die von schamlosen Verstellungskünsten zeugte.
    »Ich bin Tullia«, sagte die Erscheinung.
    »Guten Tag, Tullia!«
    Tullia lächelte mich an. Sie war ein kuscheliger Armvoll Weiblichkeit und hatte Zeit; ich dagegen war ein Mann, dessen Lebensgeister nach Trost lechzten. Ich lächelte freundlich zurück. Wenn ich schon die Dame meines Herzens verlieren mußte, dann sollten die Frauen mit lockerer Moral ruhig ihre verruchtesten Tricks an mir ausprobieren.
    Ein Privatermittler, der sein Geschäft versteht, braucht nicht lange, um sich mit einer Bardame anzufreunden. Ich begann ein harmloses Geplänkel mit Tullia und kam dann ganz zwanglos zum Thema. »Ich suche jemanden. Kann sein, daß du ihn hier schon mal gesehen hast – er trägt oft einen Mantel in einem ziemlich häßlichen Grün.«
    Daß die schöne Tullia sich auf Anhieb an meinen Typen erinnerte, wunderte mich nicht. Bestimmt waren die meisten Männer hier in der Gegend ihretwegen erpicht darauf, bei ihrer Mutter Stammgast zu werden. »Er wohnt gleich gegenüber.« Sie kam zur Tür und zeigte mir das quadratische Fensterchen des Zimmers, in dem er sich eingemietet hatte. Ich fing an, ihn zu mögen. Seine Umgebung machte einen recht ungesunden Eindruck. Alles deutete darauf hin, daß der Mann in Grün keinen Deut besser dran war als ich.
    »Ob er jetzt wohl zu Hause ist?«
    »Ich kann ja mal nachsehen«, erbot sich Tullia.
    »Ach, wie denn?«
    Sie schaute zur Decke. Die Kneipe hatte die übliche Stiege an der Innenwand, die zu einer Dachkammer hinaufführte, in der die Eigentümer wohnten und schliefen. Wahrscheinlich war ein schmales, längliches Fenster über dem Eingang die einzige Licht- und Luftzufuhr. Eine aufgeweckte junge Dame, die sich für andere Menschen
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