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Bronzeschatten

Bronzeschatten

Titel: Bronzeschatten
Autoren: Lindsey Davis
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ein schönes Gefühl zu wissen, daß ich, wenn ein Auftrag erledigt war, zu einer Frau heimkehren könnte, die mich nach Herzenslust verspotten würde, wenn ich anfangen sollte zu prahlen. Eine, der ich tatsächlich fehlen würde, wenn ich einmal nicht mehr nach Hause käme.
     
    In einem Zimmer zu bleiben, in dem eine Dame untersucht wurde, verstieß gegen jede Anstandsregel. Zum Glück war der Doktor gerade im Aufbruch. Ich verstellte ihm den Weg.
    »Gestatten, Didius Falco. Ich wohne hinter der Via Ostiana, über der Wäscherei Adler, an der Brunnenpromenade.« Er machte ein verdutztes Gesicht. Ich sagte: »Seien sie so freundlich und schicken Sie Ihre Liquidation an mich!«
    Die Frauen im Raum verstummten mit einem Schlag. Aller Augen richteten sich auf Helena. Helena schaute mich unverwandt an.
    Der Arzt war ägyptischer Herkunft. Er hatte einen Vierkantschädel und Brauen, die über der starken, geraden Nase zusammenstießen. Er machte einen sehr gelehrten Eindruck, war aber in praktischen Dingen offenbar ziemlich begriffsstutzig.
    »Ich war im Glauben, der Senator …«
    »Der Senator«, erklärte ich nachsichtig, »ist der Vater dieser jungen Dame. Ihm verdankt sie Leben, Unterhalt, Erziehung und die Heiterkeit ihrer honigbraunen Augen. Aber diesmal werde ich Ihre Rechnung begleichen.«
    »Ja, aber warum …?«
    »Denken Sie in Ruhe darüber nach«, sagte ich freundlich.
    Damit nahm ich ihn beim Ellbogen und schob ihn aus dem Zimmer.
    Denk darüber nach. Nein, jetzt nicht denken. Das war dein Kind. Unser Kind. Denk daran, Marcus.
     
    Ich hielt die Tür auf. Julia Justa brachte es irgendwie fertig, das aufgeregt schnatternde Frauenvolk hinauszuexpedieren. Ich hörte noch trippelnde Füße und raschelnde Röcke hinter mir, dann schloß sich die Tür.
    Schweigen. Helena Justinas große, fragende Augen. Helena und ich.
    »Marcus … Ich war mir nicht sicher, ob du zurückkommen würdest.«
    »Aber Prinzessin, habe ich dir nicht gesagt, du sollst nur immer schön am selben Fleck bleiben, damit ich dich wiederfinden kann. Ich komme jedesmal zurück … Versprich mir bloß eines – versprich mir, Helena, daß du mir’s beim nächsten Mal sagen wirst!«
    In dem Schweigen, das jetzt folgte, lagen aller Schmerz und alles Leid dieser Welt. Und endlich, endlich füllten sich Helenas Augen mit ihren ungeweinten Tränen.
    »Schau«, fuhr ich behutsam fort. »Ich hatte einen Auftrag zu erfüllen. Ich hatte tausend Dinge im Kopf. Aber du mußt mir glauben, Helena – wenn ich gewußt hätte, daß du mich brauchst, dann hätte ich alles liegen- und stehenlassen …«
    »Ich weiß«, hauchte sie. »Das habe ich doch die ganze Zeit gewußt.«
    Das war es also. Im tiefsten Innern hatte ich den wahren Grund schon immer gekannt.
    »Ich dachte«, flüsterte sie nach einer Weile mit halb erstickter Stimme, »ich dachte, wir hätten noch soviel Zeit … «
    »O Helena!«
    Sie streckte die Arme nach mir aus, noch bevor ich eine Bewegung machten konnte. Mit drei Schritten hatte ich das Zimmer durchquert, schwang mich auf ihr Bett, und dann hielt ich Helena endlich in meinen Armen, so fest, daß ihr verzweifeltes Schluchzen, das sich nun löste, kaum zu spüren war. Als ich schließlich meinen Griff lockerte und ihren Kopf an meine Brust bettete, strich Helenas Hand über meinen Verband. Wir schwiegen. Als sie ihr Gesicht an meine Wange legte, war es naß von Tränen, und ein paar davon hatte ich geweint.
     
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