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Bronzeschatten

Bronzeschatten

Titel: Bronzeschatten
Autoren: Lindsey Davis
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interessierte, würde natürlich ihre Freizeit an diesem Fenster verbringen und sich die Männer anschauen, die draußen vorbeigingen.
    Tullia machte kehrt und wollte schon leichtfüßig die Treppe hinaufspringen. Ich hätte mich ihr anschließen können, ahnte aber, daß ihre Mutter oben auf der Lauer liegen würde, und das nahm mir die Lust am Abenteuer.
    »Danke, aber im Augenblick möchte ich ihn nicht behelligen.« Wer immer er war und was er auch im Schilde führte, niemand würde mich dafür bezahlen, daß ich ihn beim Essen störte. »Weißt du etwas über ihn?«
    Sie sah mich argwöhnisch an, aber ich hatte ungezwungene Manieren und meine Locken waren echt; außerdem hatte ich ihrer Mutter ein anständiges Trinkgeld hingelegt. »Er heißt Barnabas. Vor etwa einer Woche ist er hier aufgekreuzt …« Während sie sprach, machte ich mir so meine Gedanken. Den Namen Barnabas hatte ich doch vor kurzem erst irgendwo gehört. »Er hat drei Monatsmieten im voraus bezahlt – ohne einen Muckser! Und als ich ihn deswegen einen Dummkopf genannt habe, da hat er bloß gelacht und gesagt, er würde eines Tages ein reicher Mann sein …«
    Ich grinste. »Möchte wissen, warum er dir das erzählt hat?« Zweifellos aus demselben Grund, der Männer immer dazu bringt, Frauen sagenhafte Reichtümer zu versprechen. »Was hat dieser hoffnungsvolle Unternehmer denn für einen Beruf, Tullia?«
    »Gesagt hat er, er sei Getreidehändler. Aber …«
    »Aber was?«
    »Auch darüber hat er gelacht.«
    »Scheint ja ’n richtiger Komiker zu sein!« Daß der Kapuzentyp sich als Kornhändler ausgab, paßte nicht mehr zu dem Barnabas, den ich im Sinn hatte. Der war der freigelassene Haussklave eines Senators und würde Weizen nicht von Hobelspänen unterscheiden können.
    »Du stellst aber ’ne Menge Fragen«, bemerkte Tullia listig. »Was bist du eigentlich von Beruf?« Ich drückte mich mit einem vielsagenden Blick um die Antwort herum. »Aha, Geheimnisse! Möchtest du lieber hinten raus?«
    Ich kundschafte immer gern einen Ort aus, an den ich vielleicht zurückkehren möchte, und so huschte ich schon bald über einen Hof hinter der Weinschenke, mit entsprechendem Tempo, da der Hof zu einem Privathaus gehörte. Tullia schien sich hier wie daheim zu fühlen; der glückliche Eigentümer hatte zweifellos Sinn für ihre Talente. Sie ließ mich durch eine unverschlossene Pforte hinaus ins Freie.
    »Tullia, falls Barnabas mal wieder auf ein Glas bei euch reinschaut, könntest du ihm ausrichten, daß ich nach ihm suche …« Ihn nervös zu machen konnte nichts schaden. In meinem Job gewinnt man keinen Lorbeerkranz, wenn man Fremden gegenüber schüchtern ist, die einen auf dem Heimweg beschatten. »Und sag ihm, wenn er zu dem Haus auf dem Quirinal kommt – ich glaube, er weiß, welches gemeint ist –, dann hätte ich eine Erbschaft für ihn. Aber er muß sich vor Zeugen ausweisen.«
    »Wird er denn wissen, wer du bist?«
    »Beschreib ihm einfach meine feingeschnittene, klassische Nase! Und sag ihm, Falco hätte nach ihm gefragt. Willst du das für mich tun?«
    »Nur, wenn du mich recht schön drum bittest!«
    Dieses Lächeln hatte schon hundert Männern vor mir ihre Gunst verheißen. Hundert und einer von uns müssen entschieden haben, daß wir großzügig über die Konkurrenz hinwegsehen könnten. Ich unterdrückte ein Schuldgefühl wegen einer gewissen Senatorentochter und bat Tullia auf die netteste Art, die mir zu Gebote stand. Es schien zu funktionieren.
    »Das machst du nicht zum erstenmal.« Sie kicherte, als ich sie losließ.
    »Tja, wer eine klassische Nase hat, riskiert, daß er von schönen Frauen geküßt wird. Und du hast das auch schon vorher getan – wie ist deine Entschuldigung?«
    Wirtstöchter brauchen selten eine Entschuldigung. Sie kicherte aufs neue. »Komm bald wieder. Ich warte auf dich, Falco.«
    »Ich komme. Verlaß dich drauf, Prinzessin!«
    Vermutlich Lügen. Auf beiden Seiten. Aber in der Transtiberina, wo das Leben noch härter ist als auf dem Aventin, müssen sich die Menschen von der Hoffnung nähren.
     
    Die Sonne schien noch, als ich über die Tiber-Insel in die Stadt zurückwanderte. Auf der ersten Brücke, dem Pons Cestius, blieb ich stehen und holte die Ringe des Toten vom Lagerhaus aus meiner Tunikatasche.
    Die Smaragd-Kamee fehlte; ich mußte sie unterwegs verloren haben.
    Flüchtig kam mir der Gedanke, daß die Wirtstochter sie gestohlen haben könnte, aber dann sagte ich mir, daß sie für so was viel
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