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Bronzeschatten

Bronzeschatten

Titel: Bronzeschatten
Autoren: Lindsey Davis
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auszuweichen, ohne dabei seine Spur zu verlieren. Zum Glück war der Farbton seines Mantels ein Quietschgrün, das zwar den Augen weh tat, dafür aber leicht wiederzufinden war.
    Ich folgte ihm hinunter zum Fluß, den er auf der Sublicius-Brücke überquerte; ein zehnminütiger Fußweg fort von der Zivilisation und hin zu den Bruchbuden im Transtiberinischen Bezirk, wo die Straßenhändler unterkriechen, wenn sie nach Einbruch der Dunkelheit vom Forum verjagt werden. Der Vierzehnte Bezirk gehörte zwar schon seit der Zeit meiner Großeltern zu Rom, aber es trieben sich genug dunkelhäutige Immigranten dort herum, um die Gegend noch heute fremd wirken zu lassen. Nach dem, was ich am Vormittag hatte erledigen müssen, war es mir egal, ob einer von diesen Typen mir sein Messer in den Rücken stieß.
    Wenn es einem egal ist, dann versuchen sie’s erst gar nicht.
    Wir gingen jetzt im tiefen Schatten enger Straßenschluchten, in die gefährlich baufällige Balkone hineinragten. Magere Hunde streunten durch den Rinnstein. Zerlumpte segelohrige Zigeunerkinder brüllten hinter den verängstigten Kötern her. Wenn ich ehrlich war, so mußte ich mir eingestehen, daß mich der ganze Bezirk ängstigte.
    Der grüne Mantel legte ein gleichmäßiges Tempo vor, wie ein braver Bürger, der sich schon aufs Essen freut. Er war von mittlerer Statur, mit schmalen Schultern und jugendlichem Gang. Sein Gesicht hatte ich immer noch nicht gesehen; trotz der Hitze behielt er die Kapuze auf. Er war zu lichtscheu, um ehrlich zu sein, soviel stand fest.
    Zwar ließ ich aus Berufsethos ein paar Wasserträger und Pastetenverkäufer zwischen uns gehen, aber nötig war diese Vorsichtsmaßnahme nicht. Er wich niemandem aus und zog nirgends den Kopf ein, obgleich das in dieser miesen Gegend doch sehr angebracht gewesen wäre. Er schaute sich nicht einmal um.
    Ich schon. Regelmäßig. Niemand schien mich zu beschatten.
    Über unseren Köpfen waren Wäscheleinen gespannt, an denen fadenscheinige Decken zum Lüften hingen, und darunter baumelten an Seilen Körbe, Messinggeräte, billige Fähnchen und löchrige Bettvorleger. Die Afrikaner und Araber, die damit handelten, schienen ihn zu kennen, aber als ich vorbeikam, fielen unflätige Bemerkungen. Na, wer weiß, vielleicht bewunderten sie mich einfach, weil ich ein so hübscher Bursche war. Der Duft von frischem Fladenbrot und süßem, fremdländischen Kuchen stieg mir in die Nase. Hinter halb geöffneten Läden schrien abgearbeitete Frauen mit schrillen Stimmen faulen Männern ihren Frust entgegen. Gelegentlich riß den Männern die Geduld, und sie setzten sich zur Wehr. Ich lauschte voll Mitgefühl und ging schneller. In dieser Gegend gab es Kupfermesserchen mit eingekerbten Zaubersprüchen zu kaufen, aus orientalischen Blumen destillierte Suchtmittel und Kinder, die aussahen wie Engel, obwohl das Geschäft mit dem Laster sie bereits mit heimtückischen Krankheiten verseucht hatte. Hier konnte man für Geld alles bekommen, die Erfüllung eines Herzenswunsches oder einen schäbigen Tod – für jemand anderen oder für einen selbst.
    Ich verlor ihn südlich der Via Aurelia, in einer merkwürdig stillen Straße etwa fünf Minuten diesseits der Grenze zum Vierzehnten Bezirk.
     
    Er war in eine schmale Seitengasse eingebogen, und als ich um die Ecke bog, war von ihm nichts mehr zu sehen. Versteckte, dunkle Torwege gähnten alle paar Schritte unheilvoll in den nackten grauen Mauern, auch wenn der Ort vielleicht nicht besonders unheimlich war.
    Ich überlegte, was zu tun sei. Kolonnaden, in denen ich mich hätte rumdrücken können, gab es wie gesagt nicht, und die Siesta meines grünen Freundes würde womöglich den ganzen Nachmittag dauern. Ich hatte keine Ahnung, wer er war oder warum wir uns gegenseitig beschatteten, und war mir auch nicht sicher, ob ich das eigentlich noch wissen wollte. Es war hoher Mittag, die heißeste Stunde des Tages, und ich verlor allmählich das Interesse. Falls irgendwer in der Transtiberina mich für einen Spitzel hielt, dann würde man mich morgen mit einem Monogramm eines Verbrechers in der Brust in der Gosse finden.
    Ich entdeckte ein Kneipenschild, betrat den kühlen, dämmrigen Raum, und als die bucklige, großbusige Wirtin herangewatschelt kam, bestellte ich gewürzten Wein. Außer mir war kein Gast zu sehen. Der winzige Laden hatte nur einen Tisch. Die Theke war im Dustern kaum zu erkennen. Ich tastete die Bank nach Splittern ab und setzte mich dann vorsichtig. Es war
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