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Bronzeschatten

Bronzeschatten

Titel: Bronzeschatten
Autoren: Lindsey Davis
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die entsprechenden Worte: »Den Göttern der Schatten empfehle ich diese Seele …«
    Ich warf ihm noch eine Kupfermünze für den Fährmann hinunter und hoffte, daß mir Fortuna hold war und ich nie wieder von ihm hören würde.
    Aber es sollte nicht sein. Die Schicksalsgöttin schneidet mir höchstens mal eine Grimasse, als hätte sie sich grade ihren heiligen Finger in einer Tür geklemmt.
     
    Zurück im Lagerhof trat ich das Feuer aus und verstreute die Asche. Dann legte ich mir Ketten über die Schulter, mit denen ich das Tor verschließen wollte. Kurz vorm Gehen machte ich noch eine letzte Kontrollrunde; meine Muskeln spannten sich unter der Last der schweren Eisenglieder.
    Der ganze Raum roch jetzt nach Zimtrinde. Die rastlosen Fliegen kreisten weiter über dem Fleck am Boden, als geistere die Seele des Toten noch immer dort herum. Säcke, prall gefüllt mit orientalischen Spezereien von unschätzbarem Wert, duckten sich reglos im Schatten der Mauern und verströmten einen herbsüßen Duft, der mir mächtig unter die Haut ging.
    Ich wandte mich zum Gehen. Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr. Panische Angst überfiel mich – als hätte ich ein Gespenst gesehen. Aber ich glaube nicht an Gespenster. Aus dem staubflimmernden Dämmer stürzte eine vermummte Gestalt auf mich zu.
    Es war ein Mensch aus Fleisch und Blut, der eine Faßdaube packte und damit nach meinem Kopf zielte. Obwohl er mit dem Rücken zum Licht stand, kam er mir irgendwie bekannt vor. Es blieb keine Zeit, mich nach seinem Problem zu erkundigen. Ich wirbelte herum und schleuderte mit aller Kraft die Ketten gegen seine Rippen. Dann verlor ich den Halt, das schwere Gewicht riß mich zu Boden, und ich schlug mir den rechten Ellbogen und das rechte Knie auf.
    Mit etwas Glück hätte ich ihn schnappen können. Das Glück ist selten mein Bundesgenosse. Während ich mich noch wild rudernd von den Eisenketten befreite, machte der Schurke sich aus dem Staub.

III
    Ich war nur für einen Augenblick zum Kanalschacht zurückgekehrt, hätte aber auf so was gefaßt sein müssen. Das war schließlich Rom; hier braucht man eine Schatzkammer bloß drei Sekunden unbewacht zu lassen, und schon macht irgendein Dieb sich das zunutze.
    Ich hatte das Gesicht des Mannes nicht gesehen, wurde aber das Gefühl nicht los, ihn wiedererkannt zu haben. Die grüne Kapuze, die er so sorgsam tief in die Stirn gezogen hatte, war unverwechselbar: der Mann, den ich gesehen hatte, als ich vorhin den Wassereimer ausleerte. Ich verfluchte erst ihn, dann mich und humpelte schließlich auf die Gasse hinaus. Blut sickerte an meinem Bein herunter.
    Da, wo die Sonne hinschien, strahlten die Mauern wohlige Wärme ab, aber im Schatten fröstelte mich. Der Durchgang hinter dem Lagerhaus war kaum drei Fuß breit und mündete auf der einen Seite in eine unheimliche Halsabschneidergasse. Das andere Ende lag hinter einer buckligen Kurve. Zu beiden Seiten des Weges lagen muffige Höfe, vollgestopft mit ausgedienten Handwagen und Stapeln schwankender Fässer. Fettige Zugseile baumelten in gähnenden Toreinfahrten. Auf Nägel aufgespießte grimmige Verbotstafeln warnten Besucher vor Toren, die aussahen, als hätte sie schon seit zehn Jahren kein Mensch mehr geöffnet. Beim Anblick dieser miesen Gegend schien es unglaublich, daß das bunte, geschäftige Treiben des Forums nur zwei Gehminuten entfernt war – aber das war eben Rom. Wie ich schon sagte.
    Keine Menschenseele in Sicht. Nur eine Taube flatterte auf einen Dachfirst und verschwand durch einen geborstenen Ziegel. Einmal knarrte ein Faßlager. Sonst war nichts zu hören. Bis auf mein Herz.
    Er konnte praktisch überall sein. Wenn ich ihn hier in einer Richtung suchte, mochte er in eine andere entwischen. Während ich mich auf meine Suche konzentrierte, konnte er oder auch ein anderer Schurke, der vielleicht gar nichts mit ihm zu tun hatte, unversehens auf mich losstürzen und mir den Lockenkopf einschlagen. Und wenn das geschah, oder wenn ich in einem dieser aufgelassenen Speicher durch den morschen Estrich brach, würde mich womöglich tagelang niemand finden.
    Ich humpelte zurück. Mit einem alten Nagel öffnete ich das Schloß zum Lager und drehte eine Runde über den sonnendurchglühten Hof. Mit der Militärzange, die Frontinus dagelassen hatte, klemmte ich die Torketten wieder fest, wie sich das für einen verantwortungsbewußten Bürger gehört. Dann ging ich.
     
    Der Leichengestank hatte sich in meinen Kleidern
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