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Bronzeschatten

Bronzeschatten

Titel: Bronzeschatten
Autoren: Lindsey Davis
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einen Zipfel der Toga, die ihn bedeckte, ließ das Tuch aber gleich wieder fahren und wich zurück.
    Elf Tage hatte der Leichnam hier im Gewürzspeicher gelegen, bevor es einem Intelligenzbolzen im Palast einfiel, daß man ihn wegschaffen sollte. Nach der langen Zeit im warmen Mief zerfiel das Fleisch wie ein gargekochter Fisch.
    Wir traten einen Moment beiseite, um uns zu wappnen.
    »Hast du den alle gemacht?« würgte Frontinus schließlich hervor.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht.«
    »War’s Mord?«
    »’ne diskrete Hinrichtung – so vermeidet man einen unangenehmen Prozeß.«
    »Und was hatte er verbrochen?«
    »Landesverrat. Warum glaubst du wohl, wollte ich die Prätorianer dabeihaben?« Die Prätorianer waren die kaiserliche Leibwache.
    »Aber warum dann die Geheimniskrämerei? Wieso hat man an ihm kein Exempel statuiert?«
    »Weil unser neuer Kaiser offiziell mit einhelligem Jubel empfangen worden ist, also gibt es keine Verschwörungen gegen Caesar Vespasian!«
    Frontinus lachte höhnisch.
    In Rom wimmelte es nur so von Leuten, die Komplotte schmiedeten, auch wenn die meisten davon fehlschlugen. Dieser Mann hatte sich bei dem Versuch, dem Schicksal ins Handwerk zu pfuschen, zwar klüger angestellt als die meisten, doch nun lag er mausetot auf dem staubigen Estrich in einer eingetrockneten Lache seines eigenen Blutes. Etliche seiner Mitverschwörer waren aus Rom geflohen, ohne sich auch nur die Zeit zu nehmen, eine Tunika zum Wechseln oder eine Flasche Wein für unterwegs einzupacken. Zumindest einer von ihnen war ebenfalls tot – man fand ihn erdrosselt in seiner Zelle im gefürchteten Mamertinischen Gefängnis. Inzwischen waren Vespasian und seine beiden Söhne mit einmütigem Jubel in Rom empfangen worden und hatten sich daran gemacht, nach zweijährigem erbittertem Bürgerkrieg wieder Ordnung im Reich zu schaffen. Der Kaiser schien ganz Herr der Lage.
    Die Verschwörung war niedergeschlagen worden; jetzt galt es nur noch, dieses verfaulende Beweisstück beiseite zu schaffen. Die gewieften Palastsekretäre ahnten, daß sich das unangenehme Geschehen schlecht vertuschen ließe, wenn die Familie des Toten Gelegenheit zu dem üblichen Pompbegräbnis mit Prozession, Flötenspiel und gemieteten Trauergästen bekam. Folglich bekam ein untergeordneter Beamter den Auftrag, einen taktvollen Laufburschen aufzutreiben. Dieser Mann schickte nach mir. Ich hatte eine große Familie zu ernähren und einen cholerischen Hausherrn, dem ich seit etlichen Wochen die Miete schuldete; für Beamte, die eine unorthodoxe Beisetzung arrangieren wollten, war ich also leichte Beute.
    »Tja, daß wir hier rumstehn, schafft ihn auch nicht weg …«
    Entschlossen schlug ich die Toga zurück und entblößte die Leiche.
    Der Tote lag noch genauso da wie vor elf Tagen, und hatte sich doch furchtbar verändert. Wir konnten förmlich sehen, wie die Eingeweide unter dem Gewicht der Maden zusammensackten. Das Gesicht mochte ich gar nicht erst anschauen.
    »Beim Jupiter, Falco, der Mistkerl kommt aus ’ner guten Familie!« Frontinus’ Miene verdüsterte sich. »Du müßtest eigentlich wissen, daß keiner von denen ohne Meldung im Tagesanzeiger dahingeht. Wie sollen die Götter im Hades sonst ahnen, daß der Schatten einer bedeutenden Persönlichkeit den besten Platz auf Charons Fähre beansprucht …?«
    Er hatte recht. Falls irgendwo eine Leiche mit den schmalen Purpurstreifen des römischen Adligen auftauchte, würden übereifrige Beamte darauf bestehen zu erfahren, wessen Sohn oder Vater dieser ehrenwerte Herr gewesen sei.
    »Hoffentlich ist er nicht allzu prüde«, gab ich zurück. »Wir werden ihn ausziehen müssen …«
    Julius Frontinus wiederholte leise den rüden Ausdruck meines Bruders.

II
    Wir arbeiteten zügig, obwohl wir ständig gegen ein würgendes Ekelgefühl ankämpfen mußten.
    Es galt, den Toten aus zwei Tuniken herauszupellen, die schon bestialisch nach Verwesung stanken. Nur der hartgesottenste Trödler würde diese Lumpen so gründlich durchsehen, daß ihm die gestickten Namensschildchen auffielen, die in den Kragen eingenäht waren. Aber wir mußten auf Nummer Sicher gehen.
    Wieder draußen im Hof, sogen wir in gierigen Zügen die frische Luft ein und verbrannten alles, was brennbar war; sogar seine Schuhe und den Gürtel ließen wir verkohlen. Unsere Leiche trug mehrere Ringe. Frontinus zog sie ihm irgendwie ab; den Goldreif, der seinen Stand anzeigte, eine große Smaragd-Kamee, einen Siegelring
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