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Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot

Titel: Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot
Autoren: Diana L. Paxson
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würde das mangelnde Gleichgewicht die Welt zerstören.«
    Igraine wand sich wortlos, wollte es nicht wahrhaben, wenngleich sie wusste und ihr dieses Wissen verhasst war, dass auch diese Stimme göttlich gewesen war. Und dann, beruhigend wie kühlendes Wasser, sprach in ihrer Seele die Göttin, wie Igraine sie stets gekannt hatte.
    »Fürchte dich nicht. Solange die Raben den Weißen Berg bewachen, wird der Hüter Britanniens nicht sterben…«
    Sie spürte, wie sie zurück in ihren Körper stürzte; Sternenlicht, Feuerlicht und das Licht ihrer Visionen zerbarsten rings um sie gleich einem Mosaik aus römischem Glas. Verzweifelt versuchte sie, die Teile zu einem Muster zusammenzufügen, das seine Bedeutung wahren würde, doch sie zerfielen zu rasch.
    »Merlin!«, schrie ihre Seele. »Merlin, hör mir zu! Hüte dich vor dem Kind, das am ersten Mai geboren wird!«
    Dann war es vorüber, obschon sie jeden Knochen im Leib spürte. Igraine fühlte, wie ihr weiche Hände beim Aufsitzen halfen, hörte bestürztes, besorgtes Getuschel.
    »Herrin, fühlt Ihr Euch wohl?«
    »Das werde ich…«, murmelte sie. Artor, dachte sie. Ich muss bald mit ihm sprechen. Dann holte sie tief Luft, öffnete die Augen und erblickte den Dreiviertelmond, der von einem Himmel auf sie herabschaute, an dem sich bereits das erste, fahle Licht des Beltene-Sonnenaufgangs abzeichnete.
     
    Im Morgengrauen des Beltene ging Morgause mit ihren Frauen hinaus, um Wasser von der geheiligten Quelle zu holen. Vor Sonnenaufgang war die Luft frisch, und Morgause war froh über den Vliesmantel, den sie trug. Im Gleichgewicht durch den mächtigen Bauch beeinträchtigt, bahnte sie sich vorsichtig im unsteten Fackelschein und im noch trügerischeren Licht des schwindenden Mondes einen Weg über den felsigen Pfad. Aus der Gruppe der Maiden, die sie begleiteten, ertönte alsbald unterdrücktes Gelächter. Das Kind in ihrem Bauch regte sich, dann hielt es inne. Vielleicht, dachte sie hoffnungsvoll, würde die ungewohnte Bewegung es in den Schlaf lullen. Der Knabe hatte sie die ganze Nacht mit seinen Tritten wach gehalten, als könnte er es kaum erwarten, bis ihr Leib sich öffnete und ihn in die Freiheit entließ.
    Der Marsch von der Feste zum Fuß der Schlucht darunter und zurück konnte den halben Vormittag in Anspruch nehmen, und der Wiederaufstieg erforderte beträchtliche Ausdauer. Die Augen auf den kugelrunden Bauch der Königin gerichtet, hatten die Frauen sie angefleht, sich bei dem Ritual durch eine der Häuptlingstöchter vertreten zu lassen, die sie umsorgten, aber Morgause hatte sich geweigert. Wenn während ihrer Schwangerschaft ein Mädchen den Platz in Leudonus’ Bett einnahm, gefährdete dies in keiner Weise ihre Stellung, aber ihr Zustand hatte es unmöglich gemacht, um die Beltene-Feuer zu tanzen. Morgause würde niemandem erlauben, sich eine der anderen geheiligten Pflichten der Königin zu erschleichen.
    »Kann nichts passieren«, erklärte sie. »Das Kind ist erst in einem halben Monat fällig.« Was nicht ganz stimmte – sie wusste nur allzu gut, dass es im Zuge der Riten anlässlich des Lugus-Festes empfangen wurde, folglich war ihre Schwangerschaft mittlerweile erfüllt. Aber schließlich waren auch ihre anderen Kinder zu spät gekommen, weshalb ihr die Lüge ohne Gewissensbisse von den Lippen glitt.
    Die Menschen mochten wohl mutmaßen, wenn die Söhne der Königin etwa neun Monate nach einem Fest geboren wurden, aber wer nicht den alten Traditionen folgte, konnte nie sicher sein, ob sie Leudonus’ Saat waren oder nicht. Die Mehrheit der Votadini glaube ohnehin wie Morgause, dass ihre Kinder Gaben der Götter seien.
    Einen Augenblick verschwamm ihre Sicht; die fackelerhellte Finsternis der Straße verwandelte sich in das Festgelände, die Kühle des Morgens in die Wärme der Lugus-Sommernacht. Die Menschen brüllten, ein Held, erfüllt vom Gott, kam zu ihr in das Zwielicht der geheiligten Einfriedung, und dann riss das dunkle Feuer der Göttin ihr eigenes Bewusstsein hinfort…
    Abermals erbebte Morgause ob der Erinnerung. Erst danach, als sie hörte, wie die Menschen von dem Bullenkampf erzählten und wie der junge König aus dem Süden den gestürzten Lugus-Priester gerettet und das Ritual vollendet hatte, begriff sie, dass es Artor gewesen war, der in ihren Armen gelegen hatte.
    In jenem Augenblick der Erkenntnis hatte sie mit dem Gedanken gespielt, jene Kräuter zu suchen, die das Kind aus ihrem Leib verbannen würden. Doch die Götter
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