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Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot

Titel: Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot
Autoren: Diana L. Paxson
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Holz ihres Stuhls zurück, zwang sich, gleichmäßig zu atmen, und wartete, bis ihr Herzschlag sich verlangsamte. Ihr helles Haar lag offen auf den Schultern. Für dieses Ritual trugen ihre Maiden Weiß. Nur sie selbst trug das Schwarz des mitternächtlichen Himmels, obwohl die Ornamente aus Silber waren, besetzt mit Mondstein und Flussperlen.
    Über ihr funkelten die über das nächtliche Firmament verstreuten Sterne. Durch viel Übung hatte sie die Fähigkeit erworben, die langsame Wanderung der Gestirne zu fühlen. Der Mond war im dritten Viertel und würde erst in der Mitte der Nacht aufgehen. Unmerklich wurde ihr Atem schwerer. Sie richtete sich auf und hörte, wie gleich einem Widerhall ihres Herzschlags der sanfte Klang einer Trommel ertönte. Ein Gefühl der Vorahnung jagte ihr Schauder über die Haut, als die Frauen zu singen begannen:
     
    Du bist der Quell und das Strömen…
    Du bist der Traum und das Sehnen…
    Du bist, was leer ist, du bist, was füllt,
    Empfängst von uns, lenkst uns, bist uns gewillt;
    Du bist das Ganze, ein Teil, ein Bereich,
    Du bist Seele und Körper, bist alles zugleich…
     
    Die verwobenen Stimmen verschmolzen zu einer einzigen Note, die anhielt und durch die reglose Luft pulsierte. Andernorts rief man die Götter auf andere Weise und mit anderen Namen an, insbesondere in dieser Nacht, in welcher der junge Gott seine laubübersäte Lichtung verließ, um sich auf den Feldern mit der Göttin zu vereinen. Doch hier, im Herzen der Insel, herrschte allein die Herrin.
    »Große Mutter, sei uns nah – «, stimmte Igraine an.
    »Erhöre uns, sei uns nah…«, erscholl die Antwort.
    »Tor zur Geburt und Tür zum Tod – «, erhob sich Ceincairs süße Stimme über jene der anderen.
    »Erhöre uns…«
    »Herrin der Hoffnung und des Heils – «, setzte die Litanei sich fort, und mit jedem Gruß schien die Luft sich zu verdichten, bis es schwierig wurde zu atmen.
    »Du bist der Kessel der Veränderung, der Mutterleib der Weisheit – «, sprach Igraine, und bei ihren Worten gingen Morut und Nest auf die dunkle Öffnung der Höhle zu und begannen, die Steine beiseite zu schleifen. Dahinter verbarg sich eine Holztruhe, in die drei Spiralen geschnitzt waren. In der Truhe befand sich etwas in weiße Seide Gehülltes, das sie in die Steinsenke vor Igraines Stuhl stellten.
    Als das Tuch heruntergezogen wurde, spürte sie, wie ihr Bewusstsein sich veränderte, sodass sie mit zweifachem Blick einerseits den uralten Kessel mit den genieteten Silberplatten sah, auf denen in flachem Relief Antlitze der Göttin und die Bildnisse seltsamer Tiere prangten, andererseits ein Gefäß puren Lichts, das den Schein der Feuer überstrahlte.
    Eine weiß gewandete Gestalt trat vor. Aus einem Silberbecher ergoss sich ein glänzendes Rinnsal Wasser in den Kessel. Das Licht wurde heller.
    »Ich bringe Wasser aus dem Meer, dem Mutterleib der Welt. Empfange das Opfer!« Es war Nests Stimme.
    Eine weitere Priesterin bewegte sich in das strahlende Licht. »Ich bringe Wasser aus dem Fluss Tamesis, das Lebensblut des Landes – « Wieder prasselte Wasser glitzernd durch die Luft.
    Nacheinander leerten die Priesterinnen ihre Becher. Das Wasser, das sie opferten, stammte aus jedem der großen Ströme, die Britannien bewässerten, und aus den geheiligten Quellen.
    »Ich bringe Wasser von der Insel Mona…«, sang Morut.
    »Ich bringe Wasser aus der Blutquelle von Avalon…«, sang Ceincair.
    Das Licht wurde immer heller; glänzende Gestalten bewegten sich in einem strahlenden Dunstschleier. Igraine starrte in die glimmenden Tiefen des Kessels.
    »Sprich zu uns, Herrin«, flüsterte sie. »Zeig uns in diesem Augenblick, da die Türen zwischen den Welten sich öffnen, was sein wird…«
    Mit diesem Gebet wich jedes andere Bewusstsein in den Hintergrund. Das Licht um sie wallte auf, und sie war frei.
    Sie sah Britannien unter sich, übersät von Lichterreihen; ein Beltene-Feuer blinzelte dem anderen quer über das Land hinweg zu. Durch lange geübte Disziplin, die nun zu einem Instinkt geworden war, wandte sie ihren Geist jenen zu, deren Zukunft sie sehen musste.
    Beltene-Feuer glommen auf den Hügeln über Isca. Igraines Blick folgte dem flackernden Wechsel von Licht und Schatten, während Männer und Frauen rings um die Feuer tanzten. Ihr Sohn Artor war dort, mit Bediver und – und mit jenem merkwürdigen sächsischen Knaben, von dem es hieß, er sei Hengests Enkel. Mädchen kamen lachend zum König; er küsste sie und
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