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Brennen Muss Salem

Brennen Muss Salem

Titel: Brennen Muss Salem
Autoren: Stephen King
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Jerusalem's Lot.

2
    Susan

    Er saß auf einer Bank im Park und wurde gewahr, daß das Mädchen ihn beobachtete. Es war ein hübsches Mädchen mit einem Seidenschal über dem blonden Haar.
    Im Augenblick las sie ein Buch, aber neben ihr lag ein Notizblock und etwas, das aussah wie ein Kohlestift. Man schrieb Dienstag, den 16. September; es war der erste Schultag, und wie durch ein Wunder waren die lärmenden Besucher aus dem Park verschwunden. Übrig blieben einige Mütter mit ihren Kleinkindern, etliche alte Männer, die neben dem Kriegerdenkmal saßen, und dieses Mädchen im wechselnden Schatten einer alten knorrigen Ulme.
    Sie blickte von ihrem Buch auf und sah ihn an. Ein Ausdruck der Verwunderung flog über ihre Züge. Sie stand auf, überlegte es sich aber und setzte sich wieder.
    Er ging zu ihr und sagte freundlich: »Hallo. Kennen wir einander?«
    »Nein«, erwiderte sie. »Das heißt . . . Sie sind Benjamin Mears, nicht wahr?«
    »Stimmt.« Er sah sie fragend an.
    Sie lachte verlegen. Ganz offensichtlich gehörte sie nicht zu den Mädchen, die im Park mit fremden Männern sprechen.
    »Ich dachte, ich sehe ein Gespenst.« Sie hob ihr Buch in die Höhe. »Leihbibliothek, Jerusalem's Lot« war auf dem Einband gestempelt. Das Buch war sein zweiter Roman, ›Tanz in den Lüften‹. Das Mädchen zeigte Ben Mears dessen Fotografie auf der Rückseite. Das Gesicht sah jugendlich und furchtbar ernst aus.
    »Aus solchen Zufallsbegegnungen sind Dynastien entstanden«, sagte er, und es sollte nach einem Spaß klingen, aber die Bemerkung hing in der Luft, als sei sie eine Prophezeiung.
    Noch Jahre später sollte er sich an diesen Augenblick erinnern; als sei damals aus dem großen Kuchen der Zeit ein kleines besonderes Stück herausgeschnitten worden.
    Sie lachte und reichte ihm das Buch: »Wollen Sie es für mich signieren?«
    »Ein Buch aus der Leihbibliothek?«
    »Ich werde es der Bibliothek ersetzen.«
    Er öffnete das Buch und fragte: »Wie heißen Sie?«
    »Susan Norton.«
    Ohne nachzudenken, schrieb er rasch: »Für Susan Norton, dem hübschesten Mädchen im Park. Alles Liebe. Ben Mears.«
    »Jetzt müssen Sie es stehlen«, sagte er und gab ihr das Buch zurück. »›Tanz in den Lüften‹ wird leider nicht mehr aufgelegt. «
    »Einer jener Büchersuchdienste wird es schon für mich finden.« Sie zögerte, und diesmal sah sie ihn länger an. »Das Buch ist wirklich sehr gut.«
    »Danke. Wenn ich es in die Hand nehme, frage ich mich immer, wieso es gedruckt wurde.«
    Sie lachten beide, und damit wurde alles viel einfacher. Später dachte er oft, wie natürlich es sich ergeben hatte. Wie selbstverständlich.
    Dieser Gedanke war jedoch niemals angenehm. Er beschwor das Bild eines Schicksals herauf, das keineswegs blind war, sondern bewußt und darauf bedacht, die hilflosen Sterblichen zwischen den gewaltigen Mühlsteinen des Universums zu zerreiben, um aus ihnen etwas Unbekanntes zu formen.
    »Ich habe auch ›Conways Tochter‹ gelesen. Es hat mir besonders gut gefallen. Aber vermutlich hören Sie das sehr oft.«
    »Erstaunlich selten«, sagte er ehrlich. Miranda hatte ›Conways Tochter‹ auch gern gehabt, aber die meisten seiner literarischen Freunde waren kühl geblieben, und die Kritik hatte es verrissen. Handlung war nicht mehr gefragt. Masturbation war modern.
    »Haben Sie das letzte Buch gelesen?«
    »›Billy sagt, nur so weiter‹? Noch nicht. Miss Coogan vom Drugstore behauptet, es sei ziemlich gewagt.«
    »Zum Teufel, es ist beinahme puritanisch«, sagte Ben. »Die Sprache ist deutlich, aber wenn man über ungebildete Jungen vom Land schreibt, kann man nicht . . . Sagen Sie, darf ich Sie auf ein Eis einladen? Ich hätte Lust darauf.«
    Ein drittes Mal sah sie ihn prüfend an. Dann aber lächelte sie fröhlich. »Gern. Sehr gern. Bei Spencer bekommt man recht gute Eiscreme.«
    »Ist das Miss Coogan?«
    Er wies auf eine große, magere Frau mit einer roten Schürze über dem weißen Arbeitsmantel.
    »Ja. Sie ist an jedem Donnerstagnachmittag in der Leihbibliothek.«
    Sie saßen auf roten Ledersitzen an der Theke. Von ihren Plätzen konnten sie hinüber in den Warteraum des Autobusses sehen. Ein einsamer junger Air-Force-Pilot saß verdrossen neben seinen Koffern.
    »Er scheint nicht sehr gern dort hinzufahren, wo er hinfahren muß, nicht wahr?« sagte sie, seinem Blick folgend.
    »Vermutlich ist sein Urlaub zu Ende«, sagte Ben. Jetzt wird sie fragen, ob ich beim Militär war, dachte er.
    Statt dessen sagte
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