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Brennen Muss Salem

Brennen Muss Salem

Titel: Brennen Muss Salem
Autoren: Stephen King
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beichtete seltsame Dinge. Wahrhaftig, seit ich Priester bin, habe ich niemals eine seltsamere Beichte gehört.«
    »Das überrascht mich nicht.«
    »Er weinte«, sagte Pater Gracön und nippte an seinem Tee.
    »Es war ein tiefes, ein schreckliches Weinen. Es kam aus dem Keller seiner Seele. Muß ich die Frage stellen, die diese Beichte in meinem Herzen auslöst?«
    »Nein«, sagte der große Mann ruhig. »Das müssen Sie nicht, er spricht die Wahrheit.«
    Gracön nickte, noch bevor Munoz übersetzt hatte. Sein Gesicht wurde ernst. Er beugte sich vor, faltete die Hände und sprach lange Zeit. Munoz hörte aufmerksam zu; sein Gesicht blieb ausdruckslos. Als der Priester geendet hatte, sagte Munoz:
    »Er sagt, es gäbe seltsame Dinge auf dieser Welt. Vor vierzig Jahren brachte ihm ein Bauer eine Eidechse, die schrie, als sei sie eine Frau. Er hat einen Mann mit Stigmata gesehen, dessen Hände und Füße am Karfreitag zu bluten begannen. Er sagt, das Ganze sei eine schreckliche Sache, eine dunkle Sache. Sie ist ernst. Für Sie und den Jungen. Besonders für den Jungen. Es frißt ihn auf. Er sagt. ..«
    Gracön unterbrach. »Er fragt, ob Sie verstehen, was Sie in diesem New Jerusalem getan haben.«
    »Jerusalem's Lot«, sagte der große Mann. »Ja, ich verstehe es.«
    »Er fragt, was Sie zu tun beabsichtigen.«
    Der große Mann schüttelte langsam den Kopf. »Ich weiß es nicht,«
    Wieder sprach Gracön. »Er sagt, er will für Sie beten.«
    Eine Woche später wachte der Mann schweißgebadet aus einem Alptraum auf und rief den Namen des Jungen.
    »Ich geh zurück«, sagte er.
    Unter der Sonnenbräune wurde der Junge blaß.
    »Kannst du mich begleiten?« fragte der Mann. »Hast du mich lieb?«
    »Ja, bei Gott. Ja.«
    Der Junge begann zu weinen, und der große Mann nahm ihn in die Arme.
    Er konnte nicht mehr einschlafen. In der Dunkelheit lauerten Gesichter, und wenn der Wind einen Ast gegen das Dach blies, fuhr der Mann zusammen.
    Jerusalem's Lot.
    Er schloß die Augen, und alles kam aus der Erinnerung zurück. Fast konnte er den Briefbeschwerer sehen; jene Kugeln, in denen es schneit, wenn man sie schüttelt.
    Salem's Lot...

Erster Teil
    DAS MARSTENHAUS

1
    Ben (I)

    Ben Mears fuhr auf der Überlandstraße nach Norden. Als er Portland hinter sich gelassen hatte, begann er eine nicht unangenehme Erregung in der Magengegend zu verspüren. Man schrieb den 5. September 1975, und der Sommer feierte gerade sein großes Finale.
    Er fuhr langsam und hielt Ausschau nach vertrauten Dingen.
    Zuerst sah er gar nichts und versuchte, sich gegen eine bevorstehende Enttäuschung zu wappnen. Damals warst du sieben. Seitdem sind fünfundzwanzig Jahre vergangen. Orte ändern sich.
    Und Menschen.
    Damals hatte es die Überlandstraße 295 noch nicht gegeben.
    Wenn man von Salem's Lot nach Portland fahren wollte, mußte man die Straße 12 nach Falmouth nehmen und dann die Nummer 1. Die Zeiten hatten sich geändert.
    Hör auf damit.
    Aber es war schwer, aufzuhören. Es war schwer, aufzuhören, wenn ... Ein Junge auf einem schweren Motorrad raste an ihm vorüber. Hinter dem Jungen saß ein Mädchen mit roter Jacke. Ben stieg hart auf die Bremse und legte beide Hände auf die Hupe.
    Das Mädchen winkte ihm nach.
    Diese Kinder. Diese verfluchten Kinder. Erinnerungen wollten ihn bedrängen. Erinnerungen aus der jüngsten Vergangenheit. Er trieb sie fort. Seit zwei Jahren hatte er kein Motorrad mehr angerührt. Er würde nie mehr eines fahren.
    Auf der rechten Seite flog etwas Rotes an ihm vorüber, und als er hinblickte, erfüllte ihn freudiges Wiedererkennen. Auf einem Hügel stand eine große rote Scheune mit einem weißen spitzen Dach – auch aus der Entfernung konnte man den Wetterhahn glänzen sehen. Den hatte es immer schon gegeben. Er hatte sich nicht verändert. Als er nach Cumberland kam, sah er mehr und mehr vertraute Dinge. Er fuhr über den Royal River, wo sie als Kind Aale und Hechte gefischt hatten. Durch die Bäume konnte er einen flüchtigen Blick auf Cumberland Village werfen. Und in der Ferne sah er den Wasserturm, auf dem in riesigen Lettern zu lesen war: »Haltet Maine sauber.« Tante Cindy hatte immer gesagt, jemand sollte »Bringt Geld« darunter schreiben.
    Ben Mears Erregung wuchs. Er begann rascher zu fahren und wartete auf den Wegweiser. Fünf Kilometer später kam er: Straße 12 Jerusalem's Lot.
    Eine plötzliche Dunkelheit umfing Ben Mears und löschte seine fröhliche Laune wie Sand ein Feuer. Diese dunklen
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