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Braut der Nacht

Braut der Nacht

Titel: Braut der Nacht
Autoren: Kalayna Price
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riskierte es, die Augen einen Spaltbreit zu öffnen. Mein eingeschränkter Blick traf auf ein Dutzend stecknadelkopfgroßer Lichter, keines davon hell genug, um mich zu blenden. Also öffnete ich die Augen ganz und starrte in den sternenübersäten Nachthimmel. Ich blinzelte. Unter meinem Rücken spürte ich den Boden und weiches Gras– keinen Schnee. Mein Herz gab seinen rebellischen Versuch auf, mir aus dem Leib zu springen, und ich sog tief Luft ein, die nach Frühling und grünem Leben roch. Wo bin ich?
    Und noch besser, wo war ich gewesen?
    Mit wackligen Ellbogen stemmte ich mich hoch, dabei versanken meine Handflächen in dichtem Gras. Ich sah mich um. Kleine Gebäude aus Zement umringten mich an allen Seiten. Nein, keine Gebäude. Sarkophage. Mausoleen.
    Ich bin auf einem Friedhof?
    »Toto, ich glaube, wir sind nicht mehr in Kansas«, flüsterte ich.
    »Du warst von vornherein nicht in Kansas«, antwortete Gil von irgendwo hinter mir. »Aber in Haven sind wir auch nicht.«
    Erschrocken fuhr ich zusammen. Bei der jähen Bewegung drehte sich mir alles, und ich kniff die Augen zu. Können Vampire kotzen? Ich hatte jedenfalls das Gefühl, dass ich das gleich tun würde.
    »Bist du verletzt?«, fragte Gil, während sie mit polternden Gummistiefeln näher kam. Ein Hauch von Magie durchzog die Luft, und ich krümmte mich und riss die Augen auf.
    Gil kniete ein kleines Stück von mir entfernt, aber sie machte keine Anstalten, mir beim Aufstehen zu helfen. Nein, stattdessen kritzelte sie etwas in ihre verdammte Schriftrolle. Höchstwahrscheinlich etwas über mich.
    »Kannst du mir beschreiben, wie du dich fühlst?«, fragte sie, als sie von den eng geschriebenen Zeilen aufblickte.
    Ich zwang meine Lippen zu so etwas wie einem Lächeln. »Als ob ich gern einen Magiermord begehen würde, wenn ich nur auf die Beine kommen könnte.«
    Mit einem hörbaren Schlucken ließ Gil ihren Federkiel fallen.
    Sie hatte erst vor Kurzem angefangen, mir zu vertrauen, und ich musste mich mit ihr gutstellen, wenn ich den Richter und seinen Hinrichtungsbefehl meiden wollte. Ich war immer noch auf dem magischen Äquivalent von Bewährung. Deshalb holte ich tief Luft, stieß sie langsam wieder aus und widerstand dem Drang zu schreien, als ich anschließend fragte: »Also, sollte meine erste Frage lauten: ›Wie bin ich hierhergekommen?‹, oder lieber: ›Wo ist hier überhaupt?‹«
    Gil fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe. »Nun ja, was das hier betrifft, das ist der King-James-Friedhof. Das wie ist ein wenig… äh, kompliziert?«
    Untertreibung. Eindeutig eine Untertreibung. Mit zusammengebissenen Zähnen wartete ich.
    Gil wand sich unruhig. »Ich habe dich möglicherweise außerhalb von Zeit und Raum geparkt, während ich hierhergereist bin. Aber wie es scheint, hatte es keine negativen Auswirkungen.« Sie fischte ihren Federkiel aus dem Gras und tippte damit gegen ihre Schriftrolle. »Ich nahm an, dass ein kurzer Umweg ins Nichts zwischen den Welten keine nachteilige Wirkung auf einen Vampir haben würde. Natürlich würde ich dort nie etwas vollständig Lebendiges hineinwerfen.«
    »Du nahmst an? Mit anderen Worten, du hast einfach geraten und mich dann in ein… ein Nichts geschleudert?« Ich rappelte mich auf die Füße. Mein Gesicht glühte, und das Piksen an meiner Lippe verriet mir, dass sich meine Fangzähne zeigten. Ich konnte nichts dagegen tun. Ich war einfach stinksauer.
    Gil stolperte einen Schritt zurück, und ihre Schriftrolle verschwand. »Ich habe die möglichen Folgen gründlich in Betracht gezogen, bevor ich es ausprobiert habe«, meinte sie händeringend.
    Als ich daraufhin nur eine Augenbraue hochzog, machte sie einen weiteren Schritt rückwärts, und ihr Blick huschte über die steinernen Monumente, ohne etwas zu finden, an dem er verharren konnte. Sie zupfte an einer imaginären Falte ihres Mantels. »Nun, davon einmal abgesehen, meine Recherchen verweisen auf diesen Friedhof als die Ruhestätte von… jemandem, von dem ich glaube, dass er uns dabei helfen kann, herauszufinden, ob du noch weitere Einzelgänger gezeichnet hast. Ich konnte es auf einen Sarkophag eingrenzen, aber ich brauche Hilfe.«
    »Hilfe wobei?«
    »Bei einer kleinen Nachforschung.« Sie drehte sich um, dabei wich sie immer noch meinem Blick aus. »Der Deckel ist schwer. Ich kann ihn nicht hochheben.«
    Na großartig. Ich war nur wegen meiner Muskeln hier– und wofür? Grabschändung? Ich presste mir die Handflächen auf die Augen.
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