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Braut der Nacht

Braut der Nacht

Titel: Braut der Nacht
Autoren: Kalayna Price
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kleine Bewegung nur, kaum wahrnehmbar. Es war sein erster Ausrutscher an diesem Abend– und er drückte keine Zustimmung aus. Wir hatten unterschiedliche Ansichten in Bezug auf meine Ernährungsgewohnheiten, oder genauer gesagt die Tatsache, dass ich mich nur von Tierblut ernährte. Er war der Meinung, dass ich Menschenblut brauchte. Ich war der Meinung, dass es seine Schuld war, dass ich mich überhaupt erst mit Flüssignahrung begnügen musste, und dass er sich deshalb besser mit der Verpflegung meiner Wahl abfinden sollte. Seufzend pustete ich mir eine Locke meines dreifarbigen Haars aus dem Gesicht und deutete seinen Blick absichtlich falsch.
    »Ich weiß, ich weiß. Vampir. Ich brauche nicht zu atmen«, flüsterte ich übertrieben beleidigt. »Aber ich kann auch nicht nach vierundzwanzig Jahren einfach so meine Redewendungen ändern, nur weil ich vor Kurzem ein bisschen weniger lebendig aufgewacht bin.«
    Nathanial schüttelte den Kopf, doch um seine Mundwinkel spielte ein Lächeln. »Komm mit.«
    Er verschränkte seine Finger mit meinen und zog mich vom Galeriegeländer fort. Widerstrebend folgte ich ihm in die Menge von Vampiren.
    Auf dieser Ebene waren die Verkleidungen vielfältiger als unten auf der Tanzfläche. Echte Kostümierungen, elegante Kleider, Mäntel aus Samt und juwelenbesetzte Masken machten die Menge auf der Galerie zu einer bunten Mischung. Aber für jedes viktorianische Kleid oder jeden Harlekin gab es einen Vampir, der nichts als Lederriemen über den wichtigsten Körperstellen trug. Ich kannte die Vampire von Haven zwar noch nicht alle vom Sehen, aber angesichts meiner bisherigen Erfahrungen mit den einheimischen Vampiren und der Tatsache, dass das Death’s Angel von ihnen geführt wurde, vermutete ich, dass die Besucher nicht diejenigen im Bondage-Outfit waren.
    Nathanial passte in keine der beiden Gruppen. Seine Porzellanmaske war schmucklos und schlicht, und das schwarze, im Nacken zusammengefasste Haar hing ihm lang über den Rücken und verschmolz mit dem luxuriösen Stoff seines Operncapes. Sein Kostüm definierte Eleganz in schlichtem, sachlichem Schwarz und Weiß.
    Im Gegensatz dazu war mein Kostüm leuchtend grell. Schwarze und orangefarbene Streifen zierten meinen hautengen Catsuit. Falscher Pelz säumte meine weißen Handschuhe und die flauschigen weißen Stiefel. Vervollständigt wurde das Outfit von einer getigerten Maske. Das Durcheinander aus schildpattfarbenen Locken– meine natürliche Haarfarbe und eine Erinnerung daran, was ich noch bis vor ein paar Wochen gewesen war– passte beinahe zum Kostüm. Beinahe. Nathanial hatte mich gefragt, was ich gerne sein wollte, wenn ich es mir aussuchen könnte.
    Finster starrte ich die Streifen an. Tigerstreifen. Wie die meines Vaters. Ich und meine vorlaute Klappe.
    »Eremit, es ist schon eine Ewigkeit her«, ertönte eine männliche Stimme.
    Ich zuckte innerlich zusammen. Nur Vampire nannten Nathanial »Eremit«.
    Nathanial wandte sich der Stimme zu und zog mich dabei mit sich. Ich hob den Blick zu dem Sprecher, höher, und dann noch ein wenig höher. Der Vampir überragte uns deutlich, und auch wenn ich ein wenig zu kurz geraten war, Nathanial war es nicht. Der Mann trug einen schmalen Gehrock aus kastanienbraunem Pannesamt, den ich als Kleid hätte benutzen können. Aus Kragen und Manschetten quollen üppige Spitzenrüschen hervor, und eine goldene, mit Rubinen besetzte Maske verhüllte breite Züge. Er war so riesig, dass es einen Augenblick dauerte, bis ich die kleine Frau an seiner Seite bemerkte. Sie war das genaue Gegenteil von ihm. Wo er nur aus groben Kanten bestand, war sie fein und zierlich. Sie hatte meine Größe, aber neben ihm sah sie in ihrem Rüschenkleidchen und der silbernen Maske wie eine zerbrechliche Puppe aus.
    »Dreihundert Jahre, glaube ich, Reisender«, antwortete Nathanial mit höflicher, aber desinteressierter Stimme.
    »Mindestens.« Der Blick des Riesen glitt von Nathanial zu mir und dann wieder zurück. »Seitdem hat sich eine Menge verändert.«
    Ich stöhnte lautlos– oder vielleicht nicht ganz so lautlos, da sich alle Augen auf mich richteten. Uups. Dennoch hatte ich keine Lust, mir anzuhören, wie sie dreihundert Jahre Vampirgeschichte als Small Talk durchhechelten. Also sah ich mich um.
    Auf einem Sofa in der gegenüberliegenden Ecke der Galerie war ein Platz frei.
    »Ich denke, ich geh mal…« Ich deutete auf das Sofa.
    Nathanial sah mich missbilligend an. Nicht sein Mund oder sein
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