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Boy 7

Boy 7

Titel: Boy 7
Autoren: Mirjam Mous
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dürfen. Und schon gar nichts von dem Schließfach bei Rocky’s. Ich konnte Louis nicht vertrauen, so gern ich das auch wollte. Dem Druck der Signale im Mikrochip war er nicht gewachsen. Er könnte alles beichten und dann wäre alles umsonst gewesen. Es sei denn ...
    Ich starrte auf die Alarmschnur um den Hals des Weißkittels.
    »Mach es am besten gleich heute Abend«, sagte Louis heiser.
    Die letzten Tage in der Einrichtung fühlte ich mich schrecklich einsam. Ich traute mich fast nicht mehr, mit Louis zu reden, aus Angst, dass ich aus Versehen doch wieder etwas verraten könnte und wieder einen Teil seines Gedächtnisses löschen musste. Aus technischer Sicht war das weniger schwierig, als ich erwartet hatte. Ich drückte einfach auf das Knöpfchen der Alarmschnur und sagte ihm, was er vergessen sollte. Aber gefühlsmäßig war es schrecklich gewesen, fast, als hätte ich ein Stück von ihm umgebracht.
    Es war auch nicht angenehm, den ganzen Tag einen Rucksack voller geheimer Dinge mit sich herumzuschleppen, aber mir blieb keine Wahl. Es war zu viel Gepäck, um es am Körper oder in meinen Hosentaschen zu transportieren. Louis hatte eine Flasche Wasser für mich beiseitegeschafft, damit ich während meiner Flucht nicht verdurstete. Das Foto und die Bestellliste mussten natürlich auch mit. Die Geldscheine und das Handy mit der Nachricht auf der Mailbox, die mich dann zu Rocky’s führen konnte. Meine Baseballkappe, die einen Sonnenstich vermeiden sollte. Den Schließfachschlüssel hatte ich in das Seitenfach gesteckt, halb ins Futter gedrückt, damit er bei einer flüchtigen Durchsuchung nicht gleich auffallen würde. Denn ich hatte ständig Angst, die Weißkittel könnten plötzlich doch wieder auf die Idee kommen, unsere Taschen zu kontrollieren.
    Meine Angst erwies sich als unbegründet.
    Ein männlicher Weißkittel holte mich aus dem Unterricht und brachte mich in Louis’ und mein Zimmer. »Ein langes Wochenende für unseren Ausflug diesmal. Du hast drei Minuten zum Packen.«
    Ein mehrtägiger Auftrag! Besser ging es gar nicht – ich brauchte keine Ausreden zu erfinden, um meinen Rucksack mitnehmen zu dürfen, samt allen damit verbundenen Risiken.
    Ich nahm meine Sportkleidung aus dem Rucksack. Die Hinweise und das Geld ließ ich drin. Schlafanzug darauf, Zahnbürste und Zahnpasta, saubere Unterwäsche.
    Die Tür ging auf. »Fertig?«
    Ich trat auf den Flur. Meinem Gefühl nach war es ein Käfig voller Tiger.
    Der Spionagetransporter brachte mich in ein Villenviertel, wo man mich zwang, meinen Auftrag vom letzten Mal abzuschließen. Nach einigen Stunden war ich in der Mailbox des Präsidenten und konnte alle Nachrichten kopieren. Der männliche Weißkittel rutschte wieder hinter das Steuer. Ich blieb mit der blonden Frau allein hinten. Sie war weniger gesprächig als der Pferdeschwanz. Wir fuhren eine Weile herum und hielten wieder an. Sie führte ein Telefongespräch und kurz darauf klopfte jemand zweimal lang und einmal kurz an die Wagentür.
    »Alfa sechs?«, fragte sie, bevor sie öffnete.
    Ich nahm an, dass es sich um einen Codenamen handelte. Der Mann, der hereinkam, trug einen Hut und einen Koffer. Er nahm die kopierten Nachrichten mit. »Ich melde mich, sobald ich fertig bin.«
    Wir fuhren weiter zu einem Parkplatz. Dort durfte ich mich wieder nach vorn setzen und sie löschten die vergangenen Stunden aus meinem Gedächtnis.
    »Sollen wir heute Abend beim Italiener essen?«, fragte der weibliche Weißkittel. »Dann darfst du entscheiden, was wir danach machen.«
    Jedenfalls nicht zu Rocky’s. Ich wollte die Weißkittel möglichst weit von dem Notizbuch und dem Stick entfernt halten. Wer weiß, was ihnen einfiele.
    »Ins Kino«, sagte ich.
    Wir parkten auf dem Gelände hinter Cinematic. Ich griff nach meinem Rucksack.
    »Den willst du doch wohl nicht mitnehmen?«, fragte der männliche Weißkittel. »Nur Tunten und Frauen halten es nicht aus ohne ihr Make-up-Täschchen.« Außer ihm lachte keiner.
    Mein Gehirn lief auf Hochtouren. Ohne Rucksack konnte ich nicht weglaufen. Ohne die Bestellliste und das Handy würde ich das Notizbuch und den Stick nie wiederfinden. Ohne das Foto würde ich nicht mehr wissen, wo die Boys gefangen saßen. Ich musste mir etwas einfallen lassen, was die Weißkittel nicht argwöhnisch werden ließ. Denken wie ein Weißkittel. Gehorchen.
    »Pass immer gut auf deine Sachen auf«, sagte ich mit monotoner Stimme. »Behandle sie gut und lass sie nie einfach herumliegen. Sie
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