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Boy 7

Boy 7

Titel: Boy 7
Autoren: Mirjam Mous
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kullerte mir vor die Füße. Wasser! Plötzlich merkte ich, wie durstig ich war. Ungeduldig schraubte ich den Deckel ab und schluckte gierig. Erst als die Flasche zur Hälfte geleert war, fiel mir ein, dass ich es vielleicht ein wenig ruhiger angehen sollte. Wer weiß, wie lange es noch dauerte, bevor ...
    Nicht daran denken! Ich setzte die Flasche ab und wischte mir mit dem Handrücken die Tropfen vom Mund. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete ich die anderen Schätze, die der Rucksack ausgespuckt hatte. Einen hellblauen Schlafanzug und Boxershorts. Eine Zahnbürste und eine Tube Zahnpasta. Dinge, die man für eine Übernachtung brauchte. War ich auf der Durchreise? Wo hatte ich die vergangene Nacht verbracht? Keine Ahnung. Wieder stieg Panik in mir auf. Ich versuchte, nicht darauf zu achten und mich auf den verstreuten Tascheninhalt zu konzentrieren.
    Eine Rolle Geldscheine – ich machte mir nicht die Mühe, sie zu zählen, sondern stopfte sie in meine Hosentasche. Die Baseballkappe war wie ein Lottogewinn; sobald ich sie auf meinen glühenden Schädel setzte, spendete sie meinen Augen Schatten und Ruhe. Ansonsten lagen noch ein Foto von irgendeinem großen grauen Gebäude und eine Pizza-Hut-Bestellliste im Gras. Vollkommen nutzlos in der unbewohnten Welt.
    Es war nicht gerecht. Warum musste mir das passieren? In meinem Kopf sprang ein Deckelchen auf. Ein giftgrünes Monster flutschte wie ein Geist aus der Flasche. Es wollte Blut sehen und auf etwas eindreschen, es gab kein Halten mehr. Ich trat gegen das Gras, denn es gab nichts anderes. Ich fluchte in den Himmel, ließ meine Wut am Rucksack aus, boxte in den Stoff und ...
    In der Vordertasche steckte etwas Hartes!
    Mein Zorn legte sich so schnell, wie er aufgestiegen war.
    Ich keuchte vor Anstrengung. Der Zipp schnitt mir in den Finger. Nach drei Versuchen gab der Reißverschluss endlich nach. Die Zahnreihen grinsten mich an wie ein aufgesperrtes Maul. Ich zwängte meine Hand hinein und ...
    Als ich die Umrisse eines Telefons ertastete, brach ich in hysterisches Lachen aus. Ich konnte nicht mehr aufhören, mein Körper wurde schlapp und ich rollte laut lachend durchs Gras.
    Lang lebe die moderne Technik. Ich war gerettet!
    Dachte ich.
    2
    Ich klappte das Handy auf. Jetzt brauchte ich nur noch die Notrufnummer einzutippen und dann würde man mich abholen. Keine Ahnung, woher ich dieses Wissen nahm – vielleicht hatte ich das mal in einem Film gesehen – aber ich wusste, dass mich die Polizei über das Signal meines Mobiltelefons orten konnte. In ein paar Stunden wäre ich zu Hause, wo auch immer das sein würde. Meine Eltern machten sich bestimmt schon Sorgen. Ich stellte mir unser Wiedersehen vor, bei dem natürlich all meine Erinnerungen auf einen Schlag wiederkehren würden.
    Anrufen. Auf einmal hatte ich es eilig.
    Zum Schutz vor der Sonne hielt ich meine Hand über das Display. Da erst sah ich es: Ich hatte einen Anruf auf meiner Mailbox. Jemand wollte mich sprechen! Mein Vater oder meine Mutter, ein Bruder oder eine Schwester, ein Freund oder ein Bekannter. Plötzlich war alles möglich.
    Ich hielt das Handy ans Ohr und lauschte mit angehaltenem Atem.
    »Was auch passiert, ruf auf keinen Fall die Polizei.«
    Trotz der Hitze bekam ich eine Gänsehaut. Diese Stimme ...
    Zum zweiten Mal hörte ich den Bericht ab. Es gab keinen Zweifel: DAS WAR MEINE EIGENE STIMME. ICH SELBST HATTE DIESE NACHRICHT HINTERLASSEN!
    Aber warum? Hatte ich vorhergesehen, dass diese Situation eintreten könnte? Dass ich hier landen und alles vergessen haben würde? Ich hätte mich wirklich schlagen können! Warum hatte ich bloß meinen Namen nicht genannt und alles erklärt? Jetzt hockte ich hier mutterseelenallein neben einer völlig verlassenen Straße und wusste nichts. Nur, dass ich die Polizei nicht alarmieren durfte.
    Aber der Rucksack und das Handy gehörten demnach wirklich mir. Das Telefonbuch!
    Ich ging auf Kontakte und wollte schon scrollen, aber ... Das Display blieb grau. Keine einzige Nummer im Speicher.
    Tränen schnürten mir die Kehle zu. Ich war niemand. Unsichtbar. Ich konnte hier krepieren, ohne dass es jemand merkte.
    Was jetzt? Mir fiel nur noch ein, dass ich den Anruf beantworten konnte. An irgendeinem Ort, an dem ich einmal gewesen war, stand ein Telefon und höchstwahrscheinlich wohnten dort Menschen, die mich kannten!
    Eintippen. Am anderen Ende der Leitung klingelte es und auf meiner Stirn stach der Schweiß.
    »Ja?«, fragte ein Mann.
    »Hier ist
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