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Boy 7

Boy 7

Titel: Boy 7
Autoren: Mirjam Mous
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gelang, den rot gedruckten Text zu lesen: Hallstreet 6, Flatstaff.
    Mit klopfendem Herzen suchte ich auf der Karte. Bingo! Flatstaff lag auf der anderen Seite der Grasebene, etwas südlicher als Branding. Es könnte also durchaus sein, dass ich dort wohnte! Auf jeden Fall war ich irgendwann einmal dort gewesen, es sei denn, die Bestellliste war durch magische Kräfte in meiner Tasche gelandet. Ich unterstrich die Ortsnamen auf der Karte und setzte ein Ausrufezeichen dahinter. In Flatstaff würde ich meine Suche starten!
    5
    Lara hatte einen Tisch im Garten gedeckt und Fackeln und Kerzen angezündet. Der Abend war mild – die Temperatur perfekt zum Draußensitzen, wie immer nach einem drückend heißen Tag. Die Wassersprenger weiter hinten im Garten gaben quiekende Geräusche von sich und im Gebüsch hinter mir hockte eine Grille, die sich anstrengte, sie zu übertönen. Meine Kopfschmerzen wurden von Minute zu Minute weniger. Nur vor einer Sache graute mir noch, und zwar, dass Bobbie und Lara lästige Fragen stellen könnten. Zu meiner Erleichterung gab es noch einen Gast.
    »Jones.« Er schüttelte mir die Hand.
    »Boy Seven.« Ich versuchte einzuschätzen, was ihn nach Branding geführt hatte. Er wirkte nicht wie ein Tourist. Eher wie ein Vertreter, der wohl zu viel arbeitete, den Wülsten unter seinen Augen nach zu urteilen. Er trug eine Hose mit einer messerscharfen Falte, ein strahlend weißes Oberhemd und ein Jackett.
    »Bobbie ist eine großartige Gastgeberin.« Er hängte das Jackett über die Rückenlehne seines Stuhls, setzte sich und schlug seine langen Beine übereinander. »Meine Kochkünste reichen gerade für ein Spiegelei, deswegen komme ich meist zum Abendessen hierher, wenn meine Frau außer Haus ist.«
    »Oh.« Ich traute mich nicht, weitere Fragen zu stellen. Ein Gespräch bestand aus Geben und Nehmen und nachher würde er auch Dinge über mich wissen wollen.
    »Tataaa!« Lara stellte eine gläserne Salatschüssel auf den Tisch. Unter ihrem Arm klemmte eine Weinflasche, die sie Jones reichte.
    Mit Kennerblick betrachtete er das Etikett. »Ausgezeichnete Wahl.«
    Sie zauberte einen Korkenzieher aus ihrer Hosentasche. »Was möchtest du trinken?«, fragte sie mich.
    »Wasser ist in Ordnung.« Ich griff nach der Karaffe und schenkte mir ein.
    Plopp, machte der Korken. Lara füllte Jones’ Glas und stellte die Flasche in den Kühler. Dann setzte sie sich auf den Stuhl neben mir und goss sich Wasser ein.
    Ich hätte natürlich fragen sollen, ob sie auch etwas wollte.
    »Entschuldige.«
    »Kein Problem, du bist der Gast.« Sie tauschte einen Blick mit Jones. Ziemlich verschwörerisch, fand ich. Aber wahrscheinlich war das alles nur Einbildung. Gedächtnisverlust machte einen ganz schön argwöhnisch, so viel hatte ich schon gelernt.
    Bobbie kam mit einer dampfenden Schüssel nach draußen. Ich erkannte den Geruch, noch ehe ich die Spareribs sah. Das war bestimmt ein gutes Zeichen!
    Wir aßen Pellkartoffeln mit Thousand-Islands-Sauce und Salat, nagten das Fleisch von den Knochen, wuschen unsere Finger in den Fingerschälchen und hörten Bobbie zu, die gleichzeitig reden und essen konnte. Sie erzählte von ihrem Garten und den Rosenausstellungen, an denen sie sich beteiligt hatte. Von ihrem verstorbenen Mann Leonard, der den Nussbaum noch gepflanzt hatte. Von Lara, die ein Gottesgeschenk war, weil sie wieder Leben ins Haus gebracht hatte. Von den Obstkuchen, die sie damals anfing zu backen und die sie seither an Supermärkte, kleine Cafés und Delikatessengeschäfte in der weiten Umgebung verkaufte.
    Manchmal fiel Lara ihr ins Wort, um etwas zu bestätigen oder zu ergänzen. Jones war genauso schweigsam wie ich. Ich versuchte, ihn heimlich zu beobachten, bis ich merkte, dass er mich genauso studierte. Daraufhin sah ich nur noch Lara an. Ihr Nasenpiercing funkelte im Licht der Fackeln. Am Nachmittag hatte mir der Sinn nach ganz anderen Dingen gestanden, aber jetzt merkte ich, dass sie ziemlich attraktiv war.
    Bobbies Stimme plätscherte immer weiter. Meine Gedanken schweiften ab, bis auf einmal der Name Flatstaff fiel.
    »Fährst du morgen nach Flatstaff?«, fragte ich gespannt.
    Lara nickte. »Eine Ladung Obstkuchen wegbringen.«
    Das war meine Chance! »Soll ich dich begleiten?«
    »Das ist eine gute Idee«, meinte Bobbie sofort. »Viel netter für Lara.«
    Lara nickte. »Also bleibst du noch eine Nacht hier!«
    Das klang so begeistert, dass ich auf einmal ein riesiges Bedürfnis verspürte, alles
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