Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Boy 7

Boy 7

Titel: Boy 7
Autoren: Mirjam Mous
Vom Netzwerk:
Obstkuchen hatte ich nicht vergessen. Den nicht.
    »Gleich«, sagte ich. »Erst noch schnell zum Wal-Mart.«
    »Gleich essen wir.« Sie rekelte sich in ihrem Sessel. »Magst du Spareribs?«
    Keine Ahnung. »Gern.«
    Die Glastür öffnete sich mit einem Seufzer und muntere Musik wehte mir entgegen. Ich zog einen Einkaufswagen aus der Reihe und schob ihn durch den Eingang. Der Laden war klein für einen Wal-Mart – ich war also früher schon einmal in einem Wal-Mart gewesen! –, aber sie hatten alles, was ich brauchte. Ich schlenderte durch die glänzend gebohnerten Gänge zur Textilabteilung. Boxershorts, Socken, ein paar T-Shirts. Ich schwankte kurz zwischen einer coolen, teuren Khakihose mit vielen praktischen Taschen und einer billigen Jeans mit lächerlichen Stickereien. Ich entschied mich für Khaki. Offensichtlich war es mir wichtig, gut auszusehen.
    Ich schob den Wagen zur Drogerieabteilung und fand eine Großpackung Paracetamol. Im Zeitschriftenregal gab es nur zwei Zeitungen. Ich überflog die Schlagzeilen, aber es war niemand ausgebrochen und der Täter eines Raubüberfalls saß bereits sicher hinter Schloss und Riegel. Ausnahmsweise waren keine Nachrichten gute Nachrichten.
    Die Landkarten lagen bei den Büroartikeln. Danach suchte ich einen Stift, um bestimmte Stellen und Orte wie die Grasebene und Branding markieren zu können. Mein Blick blieb an einem Korb mit kleinen dicken Büchlein in fluoreszierenden Farben und der Aufschrift NOTEBOOK hängen. Genau so etwas bräuchte ich, um die Dinge wieder auf die Reihe zu kriegen! Ich könnte mir notieren, an was ich mich noch erinnerte, Anhaltspunkte aufschreiben und sogar eine Art Logbuch führen für den Fall, dass ich mein Gedächtnis noch einmal verlor. Ohne Zögern entschied ich mich für ein blaues. Vielleicht war das meine Lieblingsfarbe?
    Schon um einiges vergnügter ging ich zur Kasse und legte alles aufs Band. Die Kassiererin steckte meine Einkäufe in braune Tüten und nannte den Gesamtbetrag. Ohne eine Miene zu verziehen, zählte ich die Scheine ab, aber insgeheim erschrak ich. Die Rolle war gewaltig geschrumpft und ich hatte Bobbie noch nichts bezahlt. Wenn das so weiterginge, wäre mein Geld innerhalb einer Woche aufgebraucht.
    Ich schob den Gedanken beiseite. In einer Woche war ich bestimmt wieder zu Hause.
    Lara stand in der Küche und putzte Salat. »In einer Stunde können wir essen.«
    »Okay!« Morgen würde ich zu McDonald’s gehen. Das war wahrscheinlich billiger.
    Zumindest, wenn ich dann überhaupt noch hier wäre.
    Ich ging mit meinen Einkäufen nach oben und leerte sie auf meinem Bett aus.
    Zuerst diesen Specht ins Koma fallen lassen!
    Im Bad schluckte ich zwei Tabletten. Es war noch immer ungewohnt, aber nicht mehr beklemmend, in den Spiegel zu schauen. Eigentlich mochte ich den Typen, der mir da entgegenblickte, durchaus.
    Ich entfernte die Preisschildchen von meinen neuen Kleidungsstücken und wechselte mein Hemd gegen ein T-Shirt. Jetzt erst sah ich, dass ich die ganze Zeit auch noch mit einem Riss auf dem Rücken herumgelaufen war. Beim Essen würde ich Bobbie um Nadel und Faden bitten. Die restliche Kleidung stopfte ich in die oberste Kommodenschublade.
    Dann setzte ich mich mit der Karte auf den Boden und klappte sie auf. Es dauerte eine Weile, bis ich Branding gefunden hatte. Ich umkreiste den kleinen schwarzen Punkt und betrachtete die umliegenden Ortschaften. Die erste nennenswerte Stadt lag etwa hundert Kilometer im Osten. Es sah so aus, als wären wir aus dem Westen gekommen. Dort verlief zumindest eine lange gerade Straße durch etwas, das die Legende als Grasebene bezeichnete. Ich zog eine Linie und machte ein Kreuz im leeren Grün. Aber von wo war ich davor gekommen? Die Bestellliste von Pizza Hut!
    Ich zog meinen Rucksack vom Bett und klickte den Verschluss auf. Die Wasserflasche fühlte sich noch lau an, das Foto des grauen Gebäudes war geknickt. Ich strich es glatt und betrachtete es aufmerksam. Betonmauern und dicht unter dem Dach ein paar kleine vergitterte Fenster, im Hintergrund ein Turm. Es könnte eine Fabrik sein oder ein Gefängnis. Ich bekam einen unangenehmen Geschmack in den Mund. Später. Ich legte das Foto neben die Karte und wühlte wieder in meiner Tasche. Ja, da war die Bestellliste von Pizza Hut und darauf stand tatsächlich nicht nur eine Telefonnummer, sondern auch eine Adresse!
    Die Buchstaben kringelten sich auf dem Papier. Ich musste meinen Blick erst mehrfach scharf stellen, bevor es mir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher