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Boy 7

Boy 7

Titel: Boy 7
Autoren: Mirjam Mous
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...« Wie machte man das, wenn man den eigenen Namen nicht wusste?
    »Wo sind Sie?«
    »Als ob du das nicht wüsstest«, antwortete der Mann gereizt. »Du rufst mich doch gerade hier an.«
    Im Hintergrund war Musik zu hören – irgendein Ohrwurm, den ich nicht kannte – und etwas näher dran Gemurmel. Ich hörte, wie eine Frau »Neinnein, nicht siebenunddreißig, achtunddreißig« sagte.
    »Jemand hat mich angerufen.« Ich versuchte, so ruhig und überzeugend wie möglich zu klingen. »Von dieser Nummer aus.«
    »Na, ich jedenfalls nicht.« Der Mann schwieg kurz. »Das ist ein öffentlicher Fernsprecher. Du hattest Glück, dass ich zufällig hier vorbeikam.«
    Kein Zuhause, keine Adresse, sondern ein öffentlicher Fernsprecher.
    Ich umklammerte mein Handy. »Wo steht dieses Telefon?«
    »Tut mir leid, aber ich habe keine Zeit für diesen Unsinn«, sagte der Mann. »Es ist fast drei Uhr und dann sind wir an der Reihe.«
    »Warten Sie!«, schrie ich.
    Zu spät. Er hatte aufgelegt.
    Niedergeschlagen ließ ich mich ins Gras fallen. Die harten Halme piksten durch mein Hemd. Es war mir egal. Alles war mir egal. Ich war verloren. Neben mir raschelte die Pizza-Hut-Liste.
    Die Polizei durfte ich nicht anrufen, aber von Pizzabäckern hatte ich nichts gesagt!
    Hinsetzen. Ich angelte nach der Bestellliste und legte sie auf meine Knie. Lieferung ins Haus. Ich tippte die Nummer ein.
    »Pizza Hut, Tracy am Apparat, womit kann ich Ihnen helfen?« Ihr freundlicher Ton machte Mut.
    »Bitte nicht auflegen«, ratterte ich los. »Ich weiß, es klingt verrückt, aber ich glaube, ich habe einen Unfall gehabt und dabei mein Gedächtnis verloren. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin und es gibt keinerlei Häuser in der Nähe, ich kann also niemanden um Hilfe bitten. Die einzige Telefonnummer, die ich habe, ist die von euch.« Ich drückte die Daumen, dass sie nicht auflegte!
    »Das ist wirklich blöd für dich«, sagte Tracy. »Aber ich kann dir nicht helfen, wenn ich nicht weiß, wo du bist. Du solltest lieber die Polizei anrufen.«
    »Keine Polizei!«
    »Wieso nicht?« Sie klang nicht mehr so freundlich wie anfangs. Ich hörte den Argwohn in ihrer Stimme. »Hast du vielleicht etwas zu verbergen?«
    Angenommen, sie hätte recht? Die Geldscheine! Vielleicht war die Polizei hinter mir her, weil ich jemanden ausgeraubt hatte. Meine Kehle steckte auf einmal voller Rasiermesser. Ich konnte alles Mögliche sein. Ein Dieb oder sogar ein Mörder. Ohne, dass ich es wusste.
    »Keine Ahnung, aber ich hatte einen Anruf auf meiner Mailbox und ...« Es hatte keinen Zweck. Ich konnte es ja selbst kaum glauben. Sie würde denken, ich sei paranoid!
    Ein leises Brummen näherte sich. Es dauerte eine Weile, bevor es zu mir durchdrang: EIN AUTO!
    »Schon gut.« Ich unterbrach die Verbindung und pfefferte das Handy in meinen Rucksack, die anderen Sachen stopfte ich darauf. Los, schnell! Ich stolperte zur Straße hinüber.
    Ja, am Horizont glitzerte etwas Silbriges und es kam allmählich näher. Ich stellte mich mitten auf den Asphalt auf Höhe der Streifen. Ich war ein Panzer, der nichts und niemanden durchließ. Zur Not würde ich mich vor die Räder werfen, dieser Wagen musste anhalten!
    Das Motorengeräusch wurde stärker, das Auto größer. Ich erkannte die verschwommenen Umrisse des Fahrers.
    Wie ein Riesenvogel mit verletztem Fuß tanzte ich über den Asphalt, während ich die Arme schwenkte und »Stopp, stopp!« rief.
    Ja, der Wagen bremste ab! Es war ein rostiger Pick-up mit einem Werbetext auf der Motorhaube: BOBBIE’S BED & BREAKFAST.
    »Stoooopppp!«
    Der Pick-up hielt. Im offenen Fenster der Fahrerseite erschien der kantige Kopf eines Mädchens. Kurze schwarze Haare, riesengroße Ohrringe und ein Diamantpiercing im rechten Nasenflügel.
    »Hattest du eine Panne?«, fragte sie.
    Ich nickte. »Nimmst du mich mit?«
    Sie reckte den Hals und spähte die Umgebung ab. »Wo ist dein Auto?«
    Die Wahrheit hatte mich bislang nicht wirklich weitergebracht, deswegen beschloss ich, den leichtesten Weg zu wählen. »Man hat mich hier abgesetzt.« Vielleicht stimmte das sogar.
    »Hier?« Sie runzelte die Augenbrauen.
    »Ist ’ne lange Geschichte.«
    »Wo musst du hin?«
    »Egal, der nächste Ort reicht völlig.«
    Sie betrachtete mich abschätzend. »Woher weiß ich, dass du kein gefährlicher Irrer bist?«
    »Woher soll ich wissen, dass du keine gefährliche Irre bist?«
    Pfff, sie musste lachen.
    »Ich setze mich gern auf die Ladefläche, wenn du dich dann
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