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Boy 7

Boy 7

Titel: Boy 7
Autoren: Mirjam Mous
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sind Eigentum der Einrichtung und der Gruppe.«
    Der männliche Weißkittel seufzte. »Hör schon auf, wir wissen es ja jetzt. Dann nimm deine kostbare Tasche eben mit.« Er wechselte einen kurzen Blick mit seiner Kollegin und flüsterte: »Dieser Chip macht wirklich Freaks aus ihnen, manchmal faseln sie schon ziemlichen Unsinn.«
    Ich suchte mir den neusten Film von Steven Spielberg aus. An der Kasse stand eine lange Schlange.
    »Stell du dich bei den Karten an, dann kümmern Seven und ich uns um Popcorn«, sagte der weibliche Weißkittel.
    Wir durchquerten die Halle und steuerten auf die Süßigkeiten zu. Höchst verlockend präsentierten sich dort Eis, Zuckerwatte, Lutscher und Schokoladenherzen. Wie Schneewittchen lag jede Süßigkeitensorte in einem eigenen gläsernen Kästchen. Die Popcornmaschine verbreitete eine widerlich warme Luft. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Nicht zu lange warten. Mit nur einer einzigen Leibwache neben mir hatte ich doppelt so viele Chancen.
    »Salzig oder süß?«, fragte die Verkäuferin. Sie trug eine lächerliche rosa Krone wie ein Kleinkind an seinem Geburtstag.
    »Süß.« Ich drehte den Kopf nach links. Dort befand sich noch ein Seiteneingang. Eine Gruppe junger Frauen kam herein. Eine war als Elfe verkleidet. Vermutlich ein Junggesellinnenabschied.
    »Und noch einen Becher salziges Popcorn, extra large«, sagte der Weißkittel.
    Wenn man bestellt hatte, konnte man nicht einfach so weglaufen. Bei Rocky’s hatte es auch funktioniert.
    Ich zeigte mit dem Daumen hinter mich. »Ich geh mal eben aufs Klo.«
    Der Weißkittel machte ein leicht verzweifeltes Gesicht. »Aber ...«
    »Bin gleich wieder da.« Diesmal gönnte ich mir nicht die Zeit, mich noch einmal umzuschauen oder beruhigend zu winken. Ich schlüpfte an der Elfe und ihren Freundinnen vorbei und drückte die Seitentür auf. Dann stand ich draußen und sog den Duft der Freiheit ein. Rennen!
    Meine Schritte hallten von den Häusern wider. Ich lief, so schnell ich mich traute, aber nicht so schnell, dass es auffiel. Wie lange würde es dauern, bis die Weißkittel wussten, wo ich war? Wie viel Zeit hatte ich, bevor sie die Standardprozedur anwenden und mein Gedächtnis löschen würden? Gab es eine Chance, dass ich entkommen konnte? Dass es sie nicht interessieren würde, ob ich gefunden wurde – wenn ich mich an nichts mehr erinnerte, konnte ich auch nichts verraten. Aber das konnte ich sehr wohl! Ich tastete nach meinem Rucksack, meiner Rettungsboje. Ich fühlte mich gut, ich fühlte mich stark. Ich bog links ab in eine stillere Straße. Es passierte auf Höhe eines Gartens mit einem schmiedeeisernen Zaun. Dieses Gefühl. Als führe jemand mit einem Traktor über meinen Kopf. Und dann wusste ich nichts mehr.
    4
    Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf einer Liege im Versammlungsraum mit dem Kaffeeautomaten. Um mich herum standen einige Weißkittel. Auch die beiden vom misslungenen Filmabend. Nicht, dass ich mich an sie hätte erinnern können. Ich wusste sowieso nichts mehr. Mein Fluchtplan, CooperationX, das Notizbuch und der Stick, alles war in einem tiefen Loch verschwunden, als hätte es sie nie gegeben.
    Jones stampfte durch den Raum. »Das ist schon das dritte Mal, dass einer der Jungs versucht zu entkommen. Es wird Zeit, dass ihr eure Aufgabe ernst nehmt. Seven kann als abschreckendes Beispiel dienen, zeigt den andern Boys ruhig, was in einem solchen Fall mit ihnen geschieht.«
    Die Jungs wurden geholt und marschierten in den Saal. Louis brach in Tränen aus, als er mich sah. Ich fragte mich, weshalb, denn ich erkannte ihn nicht.
    »Hör auf«, schnauzte Jones.
    Louis presste die Lippen aufeinander, aber die Tränen rollten weiter über seine Wangen. Jones ging die Reihe mit den Jungen ab wie ein Offizier, der seine Truppen inspiziert, und hielt unterdessen mit schneidender Stimme eine Rede. »Wir tun alles für euch. Und trotzdem gibt es hin und wieder einen Boy, der meint, es besser zu wissen. Wie sollen wir euch vor den Auswüchsen der Gesellschaft schützen, wenn ihr nicht mitarbeitet? Wir wollen das Beste für euch. Aber wenn ihr eure Chancen nicht ergreift und gegen uns handelt, können wir gar nicht anders, als euch zu strafen. Schaut euch Boy Seven an. Er durfte Ausflüge machen, immer öfter. Wir belohnten sein Verhalten mit Bowling, Essen gehen und Kino, aber das reichte dem Herrn noch nicht. Er wollte seiner Strafe nicht ins Auge sehen, seine Zeit nicht absitzen, nicht hinzulernen, sondern
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