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Botschaft des Schreckens

Botschaft des Schreckens

Titel: Botschaft des Schreckens
Autoren: Blanche Mosler
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könnte mich täuschen.«
    Schließlich erreichten wir den Raum, in dem sich die Truhen mit den Schals und den Fächern befanden. Abuela kniete davor nieder, und bald sah man deutlich, daß sie sich nicht mehr in der bedrückenden Gegenwart, sondern in einer verklärten Vergangenheit befand. Die Glückliche, dachte ich, als sie begann, die alten Fächer hervorzuholen. Plötzlich fuhr ich zusammen. Von draußen her war das Wiehern von Eseln oder Maultieren zu hören.
    Abuela sah auf. »Das muß der alte Holzknecht sein«, sagte sie, mühsam auf den Boden der Gegenwart zurückkehrend. »Das ist gut. Wir brauchen Holz für unsere Kamine und Herde. Rosa sagte erst gestern…« Sie verstummte und wandte sich wieder ihren Fächern zu, holte einen aus schöner, schwarzer Spitze hervor und hielt ihn mir hin. »Wunderschön«, sagte ich mechanisch. Aber meine Gedanken waren ganz woanders. Ein Holzknecht war draußen vor diesen schmalen, vergitterten Fenstern, hatte sie gesagt! Wahrscheinlich sprach er nur spanisch – außer er war derselbe Mann, dem Bob und ich auf unserem Weg hierher begegnet waren. Irgendwie mußte ich es fertigbringen, auf mein Zimmer zu gehen. Dort würde ich einen Zettel schreiben und versuchen, ihm zu verstehen zu geben, daß er ihn drunten in der Stadt einem Anwalt namens Robert Ellison überbringen müsse.
    Ich wartete, bis Dona Isabella einen anderen Fächer herausgeholt hatte. Er war elfenbeinfarben und mit grünen Blättern und goldenen Rosen verziert. »Das ist der richtige«, flüsterte ich heiser. »Er wird mich an Ihre Rosen erinnern, wenn ich wählen dürfte…«
    »Natürlich, Sally.« Sie sah zu mir auf. »Ich werde bald nicht mehr sein. Bald werde ich diese Dinge nicht mehr brauchen. Aber warum treffen Sie schon so schnell Ihre Wahl? Wir haben doch erst begonnen. Nein, Sie müssen sich alle Fächer ansehen, meine Liebe, bevor Sie Ihre Entscheidung treffen. Wir haben ja Zeit.«
    Zeit?  Sie vielleicht – ich nicht mehr. Mein Gott, irgendeinen Vorwand mußte ich finden, um aus dieser alten Höhle herauszukommen, in der ich fast nicht mehr atmen konnte. Selbst wenn sie es sich noch anders überlegte und mir den Fächer überließ, den ich gewählt hatte, konnte ich ihn nicht einfach nehmen und damit davonrennen. Warum war ich nur in diese Falle gegangen? Vorher hätte ich noch Kopfweh vorschützen können. Nur – da hatte ich noch nicht zu hoffen gewagt, daß jemand von draußen hierher kommen würde!
    »Dona Isabella.« Ich bemühte mich um einen natürlichen Ton. »Wollen Sie mich für ein paar Minuten entschuldigen; ich möchte mir ein Taschentuch aus meinem Zimmer holen…«
    »Ein Taschentuch«? Abuela lächelte. »Aber Sie können von mir welche haben. Es sind ein paar in dem Kästchen dort drüben auf dem  vargueno.«
    »Vargueno?«  echote ich.
    »Si.«  Dona Isabella lächelte; zweifellos führte sie meine verstörte Miene darauf zurück, daß ich nicht wußte, was ein  »vargueno«  sei. »Auf dem Schreibtisch dort drüben. Da muß ich Ihnen etwas erzählen. Er wurde in Vargas gemacht, einem Dorf in Spanien, nicht weit von Toledo. Vor Generationen kam er nach Mexiko, und dann hierher auf diese Hacienda. Es wird Sie vielleicht interessieren, daß er ein Geheimfach hat. Kommen Sie, ich werde es Ihnen…«
    »Nein, nein!« unterbrach ich sie. »Sicher ist das hochinteressant
… Aber erst muß ich kurz in mein Zimmer. Ich bin erkältet und möchte mir dort eine Tablette holen.«
    »Ich verstehe«, nickte Abuela zögernd. »Aber Sie kommen doch wieder? Wir sind noch nicht fertig.«
    »Ja«, versprach ich, schon halb bei der Tür. »Ich bin gleich zurück.«
    »Gut«, rief sie mir nach. »Ich warte hier. Ich lasse die Truhe offen.«
    Die Truhe… Ja, auch auf mich würde bald eine offene Truhe warten, wenn es mir nicht gelang, dem alten Holzknecht eine Botschaft mitzugeben.
    Froh, niemand begegnet zu sein, stellte ich in meinem Zimmer wieder den Stuhl unter die Türklinke. Meine Hände zitterten, als ich nach dem kostbaren Stück Papier mit Bobs Adresse und Telefonnummer suchte. Jahre schienen vergangen, seit ich sie mir in der Telefonzelle notiert hatte! Endlich fand ich den Zettel. So schnell ich konnte, kritzelte ich Bobs Name, Adresse und Telefonnummer darauf und schrieb dann darunter:  Bob! Dies ist von Sally Terrill. Ich bin in der Hacienda Montera gefangen. Man will mich umbringen. Bitte hilf mir. Komm mit der Polizei…
    Ich faltete den Zettel zusammen, eilte zum Fenster,
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