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Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn

Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn

Titel: Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn
Autoren: Luc Deflo
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Minuten.

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    Montag, 24 . November – 18  Uhr 15
    H erman Verbist blies in seine kalten Hände. Die feuchte Jeans klebte ihm an den Oberschenkeln. Das Kinn sank ihm auf die Brust. Müde fühlte er sich, so schrecklich müde.
    Plötzlich blickte er zu Tode erschrocken auf.
    »Geh weg! Ich weiß, dass du da bist. Hau ab, verdammt noch mal!«
    Ein Speichelfaden rann ihm am Kinn herunter. »Ich habe das Recht auf ein Kind.«
    Aber du hast ja gar keinen Plan. Wie nachlässig, Herman!
    Verbist grub die Finger in die feuchte Erde, riss den Mund auf und verdrehte die Augen. Es lief ihm kalt den Rücken hinunter.
    »Mein Kopf! Geh da raus, weg!«, keuchte er. Er fuhr sich mit allen zehn Fingern über das Gesicht und hinterließ darauf braune Streifen.
    Tut’s weh? Herman, böser Junge!
    Herman Verbist ächzte und rieb die Stirn an dem dürren Wintergras.
    »Hab wohl einen gehabt. Einen Plan.«
    Ach ja?
    »Ja. Hab stundenlang auf der Lauer gelegen. Geguckt. Kinder in der Schule. Am Ausgang. Bin mit dem Fahrrad gefahren.«
    Genau. Und du hast dir ihre bekümmerten Eltern vorgestellt, alles brave Leute, die ihre Gören über alles lieben. Du schaffst das nie ohne Plan, Herman!
    »Lach mich nicht aus! Nicht auslachen …« Sein schrilles Heulen ging in ein verzweifeltes Stöhnen über. »Nicht auslachen!«, brachte er nur noch erstickt hervor.
    Herman Verbist hockte auf den Knien hinter dem Ahorn und spähte durch die dichten Blätter, deren Spitzen über seine Wangen kratzten. Der neue Reiz konnte jedoch seine hämmernden Kopfschmerzen nicht überlagern. Er begann, mit den Zähnen zu knirschen, dann sprudelten die Worte aus ihm heraus. Nach und nach, unzusammenhängend, ein monotones Flüstern.
    »Doch wahr. Doch. Lange nachgedacht. Keins aus dem Kindergarten, Kind mit Eltern. Lieber ein Baby, ein Baby ohne Vergangenheit, und zwar ein unglückliches. Ich adoptiere eins. Das war doch mein Plan! Ich adoptiere ein Baby und schenke dem unglücklichen Wicht eine gute Erziehung. Das wäre mein erstes richtiges Ziel im Leben. Ein Ziel. Denn ich habe auch ein Auto. Mein erstes, nein, mein zweites …«
    Verbist fuhr sich mit den Händen durchs Haar und wiegte den Oberkörper hin und her. Nur seine stechenden Augen wirkten lebendig.
    Und wo bleibt das Happy End, Herman?
    »Von da an weiß ich alles. Kann mich noch genau erinnern.« Er trommelte sich mit den Fingerknöcheln gegen die Stirn, verzog den Mund und rieb Daumen und Zeigefinger aneinander.
    »Aber ich entscheide.«
    Verbist biss sich auf die Zunge.
    » ICH entscheide, nicht andere! ICH will ein Kind!«
    Und dann lässt sich Herman volllaufen.
    »Nein, tue ich nicht! Hab einen neuen Plan. Ich entführe ein junges Mädchen, das schwanger ist. Oder nicht. Dann mache ich ihr ein Baby. Und dann … Aber … aber …«
    Was aber?
    Verbist blickte auf, zog das Sakko über den Kopf und schüttelte es heftig hin und her, wie ein wütender Pitbull sein Opfer.
    »Molok ist immer so böse! Geh weg! Die Geburt. Allein. Hab Angst.«
    Versager.
     
    Die letzte höhnische Bemerkung hörte Verbist nicht einmal mehr. Er wischte sich mit dem Ärmel den Schmutz von der Wange. Sein Blick strahlte unendliche Traurigkeit aus. Als es zu regnen begann, fing er die ersten Tropfen mit den Händen auf. Klares Wasser, das sich mit seinen schmutzigen Tränen vermischte. Seine Lippen bewegten sich kaum, als er weitermurmelte.
    »Gestern, ich saß gerade in der Kneipe, da habe ich durchs Fenster geschaut und da … da …« Sein Mund blieb offen stehen. Ekstatisch. »Da war sie. So schön! Folge ihr jetzt. Mach’s einmal richtig. Ganz heiß. Die schöne Mutter, so traurig! Bereit für mich.«
     
    Ihr Haar glänzt rötlich im Widerschein der Leinwand.
Leaving Las Vegas
mit Nicolas Cage. Das Baby weint. Mitten im Film steht sie auf. Legt das Baby in den Kinderwagen und geht raus. Und du folgst ihr. Bis hierher. In den Park. Schwitzt wie ein Tier, verborgen unter einer Platane. Sie sitzt auf einer Bank, hüllt das Kind schützend in ihren Dufflecoat und legt es an. Und du, Herman, hast einen Steifen. Härter als der Stamm der Platane, an der du lehnst.
     
    »Gar nicht wahr! Hab sie nicht vergewaltigt! Gar nichts habe ich gemacht. Bin nur an ihr vorbeigegangen. Hab nichts Böses gewollt.«
     
    Ja, ganz lässig. Gut gemacht. Sie hat dich nicht mal angesehen.
     
    »Doch. Sie hat genickt. Aber traurig. Hat ganz traurig geguckt. Mein Gott. Das Baby hat mich mit seinen großen Augen angesehen.
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