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Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn

Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn

Titel: Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn
Autoren: Luc Deflo
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sie keine Antwort erhielt, legte sich ein Anflug von Enttäuschung über ihr feingeschnittenes Gesicht.
    »Hallo? Wer ist da?«
    »Ricardo«, ertönte es heiser und fast verlegen.
    Die junge Frau errötete, und ihre Kehle war vor Aufregung wie zugeschnürt.
    »Ricardo from Italy?«,
stotterte sie schließlich.
»Is it really you, baby?«
    »Si, signorina«,
lautete die Antwort, die in ihren Ohren verführerisch, wenn auch ein wenig emotionslos klang.
    Sandra Janssens, die bei ihrer Sekretärinnenausbildung Deutsch und nicht Italienisch als dritte Fremdsprache gewählt hatte, betätigte den Türöffner. Sie strahlte vor freudiger Erwartung, wobei sich niedliche Grübchen in ihren Wangen bildeten.

[home]
    Sonntag, 23 . November – 1  Uhr 30
    I n Mechelen, vor Hausnummer 253 in der Ziekenliedenstraat, fuhr ein grauer VW Golf mit Standlicht los. In dem Wagen, der am Brusselsepoort links in Richtung Bahnhof abbog, beugte sich der Fahrer über das Lenkrad und probierte verzweifelt sämtliche Hebel und Knöpfe aus.
    Während er durch die Unterführung fuhr, leuchteten endlich die Scheinwerfer auf.
    Der Mann wischte sich den Schweiß vom Gesicht und lächelte erleichtert.
    Er bog rechts ab, überquerte die Coloma-Brücke, parkte das Auto am Waldrand und schaltete den Motor aus. Als ihm ein anderes Fahrzeug entgegenkam, duckte er sich und presste das Gesicht tief in die muffigen Polster des Beifahrersitzes. Geduldig wartete er, bis der Wagen verschwunden war.
    Mit Abblendlicht verließ er den Parkstreifen wieder und bog ein Stück weiter beim Sporting Club Mechelen in einen matschigen Feldweg ein.
    Steifbeinig zwängte er sich hinter dem Lenkrad hervor, ließ die Fahrertür offen stehen und blickte hastig nach rechts und links. Die kühle Nachtluft ließ seine Kopfhaut prickeln, und ein Schauder lief ihm den Rücken hinunter, so dass er mit den Schultern rollte.
    Der Coloma-Wald lag in tiefem Schlaf. Die Bäume badeten im schwachen Mondlicht. Schwach, aber mehr als ausreichend, um sich zurechtzufinden.
    Der Mann brummte etwas, ging zum Kofferraum und öffnete die Haube mit steifen, aber entschlossenen Bewegungen. Wie ferngesteuert. Er atmete ein paar Mal tief ein und aus, beugte sich vornüber, griff mit beiden Händen unter eine alte Decke und hob seine Last in einer einzigen, geschmeidigen Bewegung aus dem Laderaum heraus.
    Er versuchte, sich zu orientieren, und als er sich zögernd in Bewegung setzte, rutschte ein Fuß aus der Decke und baumelte hinunter. Die Zehennägel waren rot lackiert.
    Mit hölzernen Schritten schlich der Mann schattengleich in den Wald hinein, der Stille atmete und nach frischem Humus duftete. Der Boden war lehmig und feucht und glänzte wie mit einer dünnen Schicht Sirup übergossen.
    Irgendetwas schlug klatschend gegen sein Bein. Er blickte erst zur Seite und dann nach unten, wo er den nackten Oberschenkel entdeckte. Er hielt inne. Nur seine Augen huschten hin und her. Er schnaufte und schüttelte den Kopf wie ein Jagdhund, der seine Beute wittert.
    Es begann mit dem Knacken eines Zweiges und leisen Schritten, als kröchen die uralten Geister, die den Wald bevölkerten, aus ihren Verstecken hervor. Dann ein heftiges Schnauben. Ein steigender Hengst, der die heranschleichenden Wölfe roch. Die Fichten verschmolzen miteinander, bis sie nur noch konturlose Schatten waren.
    Der Mann blieb reglos stehen, den Kopf schräg in den Nacken gelegt, den Blick auf die dünne Sichel geheftet, die hoch über den Baumwipfeln schwebte, sich aber jeden Augenblick wie ein Habicht auf ihn stürzen würde.
    Sein knochiges Gesicht wurde aschfahl, und seine Augen glichen Glasmurmeln, und trotz der heransausenden Gefahr gelang es ihm nicht, auch nur ein Glied zu rühren.
     
    Böser Junge. Hast wieder Dummheiten gemacht.
     
    »Molok!«, rief der Mann heiser.
     
    Was hast du mit dem schönen Mädchen vor?
     
    »Das ist … das ist kein Mädchen. Das ist eine Hure.«
     
    Willst du vielleicht deine Lieblingshure begraben?
     
    »Nei … nei … neiiin!«
     
    Warum hat Herman dann eine Schaufel dabei?
     
    »Will sie ins Wasser werfen.«
     
    Ersäufen, meinst du. Mit einem Wackerstein im Bauch. Bist du Rotkäppchen, Herman? Oder Grooßmuhuutter …
     
    »Nei … nei … neiiin! Sandra ist schon tot. Molok ist der böse Wolf!«
     
    Ricardo! Mörder!
     
    Ein wahnsinniges Gelächter zerriss die nächtliche Stille. Der Mann ließ seine Last fallen und schützte schreiend den Kopf mit den Armen, als würde er
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