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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition)
Autoren: Peter Buwalda
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herausgehebelt hatte, fing er an zu zittern, am ganzen Körper, an seinen Armen und Händen.
    Es geht so schnell. Thermik muss her. Mathematik. Absolute Klarheit, ein Nebeneinander von Schönheit und Erkenntnis? Die Ekstase, in die er geraten konnte. Gelblicher Knochen und Fleisch. Der diagonale Schnitt füllte sich mit heraussickernder Flüssigkeit: Blut, aber auch irgendetwas Grauem. Die Erdös-Fragestellungen, die er früher einfach so hatte herunterrattern können, bei Empfängen, auf denen er sich verloren vorkam, oder während eines schlechten Kinofilms. Als sie in der Bonita Avenue wohnten und er von der YMCA-Cafeteria aus zusah, wenn Joni und Janis Schwimmunterricht erhielten. Doch jetzt rann Erdös wie feinkörniger Sand durch seine Finger. Joni ging in dem Unterricht vollkommen auf. Was ist da los? Janis nicht, sie schaute immer wieder zu ihm hin, lächelte und winkte. Der Blick auf den Kieferknochen, die abgetrennte Zunge, die Verwüstungen im Gesicht. Er versuchte, das Beil noch einmal zu heben, doch es wog einhundert Kilo, auf halber Höhe musste er es herabsinken lassen. Ein paar Sekunden lang war sein Kopf vollkommen leer, bis er erneut das krachende Geräusch zerbrechender Zähne hörte, diesen merkwürdigen Oberton beim sumpfigen Auftreffen der Axt. Die Zähne. Sie lagen überall. Einem Rechtsmediziner reichte schon ein winziges Stückchen. Den ganzen Unrat in den Mülleimer werfen, das war sein erster Gedanke, er wollte den Spaten holen, wurde dann aber plötzlich von Panik überwältigt. Ließ sich auf die Knie fallen, riss sich die Handschuhe von den Händen und fing an, wild drauflos im Schnee zu buddeln. Der Schmerz in den eiskalten Fingern.
    Wie ein Trüffelschwein wühlte er im Schnee, als jemand in den Garten kam. Das Teeuwen-Mädchen – schon seit Stunden fällt ihm ihr Vorname nicht ein – erschien in seinem Blickfeld. Er sah schwarze Flecken.
    Auf dem Autobahnring herrscht reger Verkehr, er nähert sich der Abfahrt Val-d’Isère. Er kennt sich hier aus, sie kommen schon viele Jahre hierhin. Sie kannte er bereits seit ihrer Geburt. Die Teeuwen-Tochter, war es schon so spät? Sie hatte ihr Fahrrad mit hinters Haus genommen, auf dem Gepäckträger war eine dicke Schultasche festgeklemmt. Sie klappte den Ständer runter, prüfte kurz, ob das Rad auch stehenblieb, Sekunden, die er darauf verwandte, die Beine auszustrecken und sich flach in den Schnee zu legen. Da lag er, bereit für die totale Schmach. Mit aufgerissenen Augen spähte er an dem blutigen Torso entlang, in seinem Blickfeld flimmerte es. Dreißig Meter entfernt ging das dick eingepackte Mädchen zur Waschküchentür. Er sah, wie sie kurz vor der Tür zögerte. Ihre behandschuhte Hand betastete einen Moment lang das abgeklebte Fensterchen. Wie hieß sie nur? Sie schaute sich um, er kniff die Augen zu. Als er wieder hinsah, hatte sie die Waschküchentür geöffnet. Ihre Stimme klang trocken in der Morgenluft. «Hallo?», rief sie. Er flehte, er betete , sie möge weitergehen. Um zu den Futterschälchen der Katzen zu gelangen, musste sie durchs Wohnzimmer in die Diele. Hatte er alles gut genug aufgeräumt? Sie verschwand im Bauernhaus.
    Er muss runter von der Autobahn. Abfahrt Chambéry. Der Wille zu überleben, dieser Urtrieb, der nun aus ihm heraussickert wie Alkali aus einer Stabbatterie, hatte ihn aufspringen lassen. Blitzschnel hatte er sich aufgerappelt, den Rumpf vom Hackblock gehoben und ihn atemlos in die Werkstatt geschleppt, um die große Werkbank herum. Adrenalintrunken legte er das schreckliche Ding hinter die Furnierpresse und streckte sich daneben aus. Warten. Nicht bewegen. Das Mädchen musste zur Schule, es gab den Tieren zu fressen und fuhr danach zur Schule. Verdammt, wie hieß die Kleine bloß? Joni hatte noch auf sie aufgepasst, war früher bei den Teeuwens Babysitterin gewesen.
    Ab Chambéry ist es noch eine Viertelstunde. Doch was er schon lange weiß, geschieht: Er fährt weiter. Sie hatten zusammen auf das Mädchen aufgepasst. Er fährt an der Ausfahrt vorbei, weiter. Joni und Wilbert gingen alle beide zu den Teeuwens. Sein Audi ist ein Tropfen, der zum Mittelmeer rinnt.

Informationen zum Buch
    Was, wenn die eigenen Kinder sich gegen einen wenden? Joni Sigerius, Stieftochter eines angesehenen Mathematikers und Rektors einer holländischen Universität, hat zusammen mit ihrem Freund Aaron ein Unternehmen aufgezogen, das sie vor anderen lieber geheim halten will. Als es auffliegt, fliegt in der Stadt
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