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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition)
Autoren: Peter Buwalda
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Klappe, hinter der Campingsachen lagerten. Im Staub auf dem Bauch liegend, förderte er einen länglichen dunkelroten Sack zutage, in dem sich das Bungalowzelt befand, und schüttelte die Bodenplane, das mottenzerfressene Zelt und die Stangen heraus. Mit beiden Taschen ging er nach unten, nahm aus einer Küchenschublade eine Rolle Müllbeutel, durchquerte den Garten und legte die Sachen in der Schreinerei auf der langen Werkbank ab.
    Im grellen Licht ging er zu einem blau angestrichenen Stahlregal, in dem rund zwanzig Platten unterschiedlicher Holzarten auf die Weiterverarbeitung warteten. Faseriges Holz, eine Art Spanplatte, mit absorbierenden Eigenschaften. Er hob eine Platte aus gepressten Sägespänen von der zweifachen Größe einer Tür aus dem Regal und ging damit, vor Schmerzen stöhnend, zu der Werkbank. Wie machte Tineke das immer? Er lehnte die Platte an die Werkbank und verstellte die beweglichen, grünen, hammerschlaglackierten Stahlachsen ein wenig, hob die Platte wieder an und legte sie auf das Gestell, wie er es Tineke hatte tun sehen. Die zielgerichteten Handlungen, die er ausführte, erinnerten ihn daran, wie er nach einem Streit seinen Koffer packen konnte: demonstrativ, entschieden, doch ohne auch nur einen einzigen Moment zu glauben, dass er wirklich abreisen würde.
    Er ging um die Furnierpresse herum und betrachtete den Körper, der in seiner merkwürdigen, starren Haltung auf dem Boden lag. Kühlte er immer noch ab? Oder war er schon vollständig gefroren? Reichten sechs Stunden, um einen Menschen gefrieren zu lassen? Was sollte er machen, wenn –
    Es gab kein Wenn mehr. Er kniete sich neben dem Leichnam hin, schob seine Fingerknöchel über den Beton und hob den Körper erneut hoch. Ohne auf die Stiche in seinem Brustkorb zu achten, legte er ihn mit einem Rums auf die Spanplatte. Unter einigem Gezerre und Gestoße in der Horizontalen – das Gewicht war etwas zu schwer, wie er am Quietschen der Lager merkte – verschob er die Platte so, dass die Säge senkrecht zur linken Hüfte stand. Er ging zur großen Werkbank und fand in einer Plastikkiste eine Rolle silberfarbenes Montageband. Mit langen Klebestreifen fixierte er die Leiche an mehreren Stellen am Holz.
    Zum ersten Mal sah er es bei hellem Licht und aus so großer Nähe: die schiefgelaufenen weißen Sneaker mit den doppelt gebundenen Schnürsenkeln, die Jeans mit den Blutflecken darauf, das durch Gewaltanwendung zermatschte Gesicht – das Proletengesicht, vor dem Koperslager ihn schon vor Jahren gewarnt zu haben schien, und doch: Es waren seine Züge. Das geronnene Blut klebte wie Kaviar an den geplatzten Lippen. Die Ränder seiner Ohrmuscheln, die platte Spitze seiner Boxernase, die rechte Wange – sie waren schwarz und runzelig wie eine Backpflaume. Das rechte Auge war geöffnet. Noch immer hielt sich alkoholischer Smog über dem schiefen Mund. Auch die Fingerspitzen der Hand, die er sehen konnte, waren schwarz, der verschrumpelte kleine Finger sah aus wie ein abgebranntes Streichholz.
    Erneut beschlich ihn eine beängstigende Genugtuung über seine Tat – oder war es eine Un-Tat? Bis hierhin schon, bis jetzt war es bei einem Nicht-Tun geblieben, immer hatte er sich aus diesem verfluchten Leben herausgehalten. Mit einem Schlag auf einen roten Gummiknopf setzte er die Maschine in Gang. Die trockene Eiseskälte ließ die Sägezähne pfeifen, ein Luftzug kam auf. Der Motor machte ein sonores, erschreckend lautes Geräusch. Entsetzt schaute er zur Werkstatttür, wie weit war dieser Krach zu hören? Mit einem Extraknopf schaltete er den Absaugschlauch ein – und sogleich auch wieder aus. Ein tiefes Grausen überkam ihn: Statt Sägemehl würden Fleischstückchen herumfliegen. Organische Brocken, Fetzen, die unter gar keinen Umständen in der Absauganlage landen durften, weil sie verwesen, verrotten und abscheulich stinken würden. Jedes Stückchen, jeden Batzen würde er fein säuberlich entfernen müssen, überaus sorgfältig, ohne etwas zu vergessen, wie bei einer umgekehrten Beweisführung.
    Verbeiß dich in deine kriminelle Zufriedenheit. Denk an die Sorgen, die er dir bereitet hat, an den Stress, die Scham, jahrein, jahraus. Immer wieder der Rückschlag noch einer Enttäuschung, noch eines Delikts, von noch etwas und noch etwas, immer weiter – er kippte den ganzen Ärger wie eine Tonne mit Fischabfällen über sich aus, und ehe er sich’s versah, drückte er die Platte wie ein Rasender gegen die Säge. Mit einem lauten
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