Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition)
Autoren: Peter Buwalda
Vom Netzwerk:
Berichterstattungen über seinen Prozess; der Mathematiker und seine Kinder, Erpressung, Nacktfotos, eine Kreissäge. Er presste sein schmerzendes Kinn auf die Brust und ließ das Wasser minutenlang auf seinen Hinterkopf prasseln.
    Denk weiter nach – bitte. Er drehte am Warmwasserhahn, der Duschstrahl wurde kühler. Unter lauwarmem Wasser kann er klar denken. So hat er es am MIT gemacht, duschen, wenn er nicht mehr weiterwusste. Er hat nicht vor, sich einfach geschlagen zu geben. Im Department of Mathematics gab es am Ende des Gangs, noch hinter Quillens Büro, eine primitive, von allen vergessene Dusche. Wenn er, so wie jetzt, nicht mehr ein noch aus wusste, nahm er sein Handtuch und ging zu dem Kabuff. Sägen war unmöglich, er konnte das nicht. Er wollte warmes Wasser hinzugeben, beherrschte sich aber. Warmes Wasser war feige, er musste selbst erkalten. Mit kühlem Kopf denken. Im Gang dorthin machten seine Schuhe ein laut klackendes Geräusch, an den Wänden hingen Porträts der bedeutendsten Mathematiker der Vergangenheit: Euler, Gauss, Riemann, Hilbert, Fermat, Galois. Regungslos steht er unter dem lauen Strahl, mit Gänsehaut am ganzen Körper. Was tun? Schaff ihn dir vom Hals. Mach ein Puzzle aus ihm. Unter der Dusche des MIT steckte er bis zur Schädeldecke in der Von-Neumann-Algebra, um nicht zu sagen, er war darin eingemauert – bis in seinem Kopf eine Kernfusion stattfand. Das Miteinander-Verschränken dieser Algebra mit der Knotentheorie, er musste sich mit der gespreizten Hand auf den Fliesen abstützen, um nicht umzufallen. Aber jetzt fusioniert nichts, er spaltet. Erst kommt die Panik – dann der Überlebenstrieb. Spalte dich zuerst selbst. Er dreht den Warmwasserhahn vollständig zu. Werde selbst zu Eis. Gefühllos, gefühllos wie Wilbert Sigerius. Ein Sohn, der wartet, bis sein Vater nackt ist, und ihn dann mit einem bleiernen Dreschflegel verprügelt. Das kalte, mitleidlose Mark dieses Schufts, trink es wie Flüssigstickstoff. Er fährt sich noch einmal kräftig durchs Haar und steigt dann aus der Dusche.
     
    Er ging in die Werkstatt und löste die Leiche von der Platte, zerrte den Oberschenkel aus der Säge. Er dachte kurz nach, öffnete dann die Holztür so weit, wie es möglich war, schob die Arme unter die Last und schleppte den fleischernen Pfeiler in den Garten. Immer schneller ging er an der fensterlosen Mauer der Werkstatt entlang, wo unter einem niedrigen Vordach aus entrindeten Brettern gespaltenes Kaminholz aufgestapelt lag. Im unberührten Schnee zeichnete sich die gefällte Eiche ab, ein schneebedeckter Kreis, auf dem Tineke das Kaminholz hackte. Hastig trat er den Schnee von dem Stumpf und legte den erstarrten Körper darüber, das Gesäß mitten auf die runde Plattform, Kopf und Fersen in den Schnee. Die Außenlampe über der kleinen Terrasse spendete genug Licht. Er ging zurück zur Werkstatt und zog die Müllbeutelrolle aus dem Rucksack. Links in der Ecke stand ein verrußter Feuerkorb mit einer Axt darin. Er nahm sie an sich und ging nach draußen.
    Es war eine große Axt mit einem rotgefärbten Stahlblatt und einem elegant gewölbten, beinahe athletischen Stiel. Zuerst stieß er die linke Hand, die auf der Leistengegend ruhte, beiseite, anschließend zerrte er die steife Lederjacke ein wenig hoch. Er hatte gefährliches Gelump in die Welt gesetzt. Er musste es sich ein paarmal wiederholen, ehe er das Beil anheben konnte – du hast gefährliches Gelump in die Welt gesetzt . Sein erster Hieb zielte auf die von der Säge verursachte Wunde im Oberschenkel, aber das Beil prallte ab und schlug im Hackblock ein. Und jetzt zerlegst du das Gelump. Er ging neben dem Bein in die Hocke und zwängte seine Hand in die speckige Hosentasche. Es war seine Pflicht. Zuerst zog er ein Päckchen Sportlife-Kaugummi hervor, dann schnitt er sich beinahe, als er ein geöffnetes Klappmesser aus der Tasche zog. Das Kind war drei Jahre alt, Karin war für eine Weile bei ihnen zu Besuch, Margriets jüngere Schwester. Probleme mit ihrem Vater. Ein lethargisches Mädchen in Polka-Dot-Kleidchen, das den ganzen Tag Bazooka-Joe-Kaugummi im Mund hatte. Überall in der Wohnung flogen glänzende Kaugummipapierchen mit aufgedruckten Cartoons herum, und eines Sonntagnachmittags hörten sie oben an der Treppe ein atemloses Kreischen. Da saß er – im Hals den klebrigen Kaugummiklumpen von der Größe eines Golfballs, den Karin auf den Rand des Küchentischs gelegt hatte, «ein ganzes Päckchen», schrie sie,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher