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Böses Blut

Böses Blut

Titel: Böses Blut
Autoren: Arne Dahl
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Manche blieben an der Bar hängen und versuchten verwundert, mit dem wachs–puppengleichen Adolfsson zu plaudern, der im Begriff zu sein schien, aus den Latschen zu kippen.
    Eine Touristenattraktion, dachte Söderstedt.
    Die ersten Reisenden aus New York näherten sich der Treppe, die zur Paßabfertigung führte.
    »Jetzt kommen sie«, sagte er vor sich hin in die Luft und fand, daß er damit der einzige Abweichende war.
    Die Worte hallten in Kerstin Holms Gehörgängen wie die Friedenserklärung des Zweiten Weltkriegs. Sie hatte in ihrem Innern schon das Abschiedsgesuch stilistisch geglättet, das von dem heimlich furzenden Paßkontrolleur in der Gaskammer der Schalterkabine diktiert worden war. Das war nicht der Sinn ihrer Anwesenheit. Doch dann blickten die ersten amerikanischen Riechorgane durch die halbmatte Glasscheibe herein und vertrieben alle Geruchsempfindungen. Der Paßkontrolleur führte elegant jeden Paß in eine Kameravorrichtung, die an einen Computer angeschlossen war, und fotografierte ihn unauffällig. Foto und Name wurden unmittelbar gespeichert. Zumindest würden sie ein Bild des Fluggastes haben.
    Gesicht auf Gesicht huschte vorbei. Hinter jedem Lächeln und jedem Gähnen versuchte sie, sich einen gewissenlosen Mörder vorzustellen. Es gelang ihm nicht so recht. Ein beharrliches Zucken im Augenwinkel eines Mannes, der nur äußerst widerwillig seine Ray Ban abnahm, zog beinah Hultins Aufmerksamkeit auf sich. Ansonsten begann es äußerst ruhig.
    Viggo Norlanders Dasein in der Schalterkabine sah ein wenig anders aus. Er war der einzige in der A–Gruppe, der ein wunderbares Jahr hinter sich hatte. Nach dem Tiefpunkt während der Machtmordzeit, als er Amok gelaufen und von der Mafia in Estland gekreuzigt worden war, hatte sein bleiernes Junggesellenleben eine neue Dimension angenommen. Er hatte angefangen zu trainieren, sich einer Haaroperation unterzogen und sich wieder dem schönen Geschlecht zugewandt; die stigmatisierten Hände waren dabei ein Vorteil gewesen. Da er, im Unterschied zu Kerstin Holm, bei einer jungen Paßkontrolleurin gelandet war, begann er, ihr hemmungslos den Hof zu machen. In dieser Kabine war sie diejenige, die ihre Anzeige wegen sexueller Belästigung bereits klar formuliert hatte, als die Amerikaner eintrafen.
    Norlander vergaß sie für eine Sekunde. Er war sofort in höchster Alarmbereitschaft. Adrenalinprall sah er in jedem Reisenden einen Serienmörder, und als er Hultin seinen dritten Verdächtigen meldete, einen kohlschwarzen achtzehnjährigen Rauschgiftsüchtigen, bekam er einen so kräftigen Rüffel, daß er auf heftige Weise mit seiner Vergangenheit konfrontiert wurde und von da an gewissenhafter in seiner Einschätzung wurde, wie er es für sich selbst formulierte.
    Er hatte einige Minuten in zerknirschtem Schweigen dagesessen, als ein Mann um die Fünfundvierzig mit selbstsicherem Lächeln der Kontrolleurin seinen Paß reichte, die diesen galant zusammen mit dem Namen Robert E. Norton fotografierte. Da fiel der Blick des Mannes über die Schulter der Paßbeamtin auf Norlander. Das Lächeln verblaßte abrupt, er begann heftig mit den Augen zu zwinkern und unkontrollierte Blicke nach den Seiten zu werfen. Dann schnappte er sich seinen Paß und nahm Reißaus.
    »Ich hab ihn«, keuchte Norlander in das unsichtbare Miniaturfunkgerät. »Er haut ab«, fuhr er etwas widersprüchlich fort, stieß die Tür auf und schoß hinter Robert E. Norton her, quer durch die Ankunftshalle. Norton raste wie ein Besessener, und seine Tasche schlug heftig auf seinen Rücken. Norlander lief wie ein noch Besessenerer. Er stieß Damen um, die ihm in den Weg kamen, trampelte auf Kinderfüße, zerschmetterte zollfreie Flaschen. Norton blieb stehen und blickte sich in wilder Verzweiflung um. Hjelm erhob sich von seiner Bank, warf die ungelesene Broschüre fort und stürzte auf Norton zu. Der Anblick der beiden heranstürmenden Polizeibeamten mit offenbar zweifelhafter Vergangenheit war zuviel für den Amerikaner, der anfing, die Tasche über dem Kopf zu schwingen, sich zur Seite warf und zu einem der stillstehenden Gepäcktransportbänder stürzte. Mit einem Tigersprung schoß er durch die Plastikstreifen, die vor der Öffnung des Transportbands hingen. Seinem Tigersprung folgte auf der Stelle der von Norlander. Hjelm machte keinen Tigersprung, sondern schob vorsichtig die Plastikstreifen zur Seite. Im Gepäckraum sah er, wie Norlander Norton zwischen verstreuten Haufen von Gepäck
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