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Blutzeichen

Titel: Blutzeichen
Autoren: Blake Crouch
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während der Schmerz immer unerträglicher wurde.
    Ich beugte mich vor und übergab mich.
    Dann kam der stechendste Angstschmerz, den ich je erlebt hatte, und flüsterte mir zu: Willkommen in der Ewigkeit.
    Panik schaltete den Schmerz und letztlich auch meinen Verstand aus, als ich stolperte und auf eine Treppe fiel.
    Der Wahnsinn ebbte wieder ab.
    Ich starrte hinauf in die Dunkelheit.
    Immer noch kein Licht zu sehen.
    Ich kroch die wackeligen und morschen Stufen hinauf.
    Mein Kopf stieß gegen eine Holzwand.
    Ich tastete nach dem Türknauf.
    Die Tür ließ sich quietschend öffnen und ich stolperte in die Eingangshalle der Kites, die im Licht des anbrechenden Tages grau und still wirkte.
    Mühsam stand ich auf und ging durch den engen Flur in die Küche. Die tödliche Stille des Hauses überzeugte mich, dass sie geflohen waren und Violet mitgenommen hatten.
    Im trüben Licht der Morgendämmerung, das durch das Küchenfenster fiel, betrachtete ich die vom Strom verursachten Brandblasen und Streifen auf den Unterseiten meiner Unterarme. Auch meine Waden und mein Kopf waren überall dort, wo der Strom in meinen Körper ein- oder ausgetreten war, verbrannt und wund.
    Weder in der Küche noch in der Bibliothek oder im Wohnzimmer war ein Telefon zu finden.
    Ich humpelte zurück in die Küche und inmitten der fauligen Überreste einer verdorbenen Flunder fand ich auf dem Küchentisch eine umgekippte Keramikschüssel mit Schlüsseln.
    Ich packte sie alle und begab mich trotz der Schmerzen zur Haustür, wegen Violet.

66. Kapitel
     
    Ich torkelte wie ein Betrunkener durchs Dünengras und brach schließlich über der Motorhaube des rostigen Impala zusammen, verkrampft und von Schmerz überwältigt.
    Es war kurz vor Tagesanbruch, bewölkt und eiskalt, Graupelkörner schlugen auf das Blech, hinter dem Haus schäumte das rußfarbene Meer.
    Ich kletterte hinter das Lenkrad und probierte verschiedene Schlüssel im Zündschloss aus. Der vierte Schlüssel ließ sich drehen, worauf der Motor stotternd zum Leben erwachte.
    Ich schaltete und trat auf das Gaspedal, die Hinterräder schleuderten Gras und Sand weg, als sich der Wagen durch die elegischen Eichen schlängelte und sich über den unbefestigten Weg durch das Dickicht arbeitete.
    Abgestorbene Flechten wedelten wie Vorhänge über die Windschutzscheibe, während der Impala durch Pfützen und Fahrrinnen holperte, als risse es ihn jeden Moment auseinander.
    Als ich die gepflasterte Kill Devil Road erreichte, fuhr ich nach Osten in Richtung Meer an geduckten Strandhäusern vorbei, die zwischen Eichen und Yauponbäumen standen.
    An der Kreuzung Old Beach Road und Highway 12 hielt ich an.
    Mir war speiübel.
    Im Osten ging langsam die Sonne auf.
    Ich wusste, dass die Kites Ocracoke mit der Fähre verlassen wollten.
    Ich musste mich zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden.
    Entweder konnten sie von Silver Lake Harbor losfahren oder sie nahmen die Fähre, die vom Nordzipfel der Insel losfuhr. Die Fähren, die von Silver Lake nach Swan Quarter und Cedar Island fuhren, liefen weniger regelmäßig aus und setzten eigentlich eine Reservierung voraus.
    Die Fähre von Ocracoke nach Hatteras fuhr ab fünf Uhr morgens stündlich und man benötigte keine Reservierung.
    Die Uhr auf dem Armaturenbrett zeigte 4:49 an.
    Ich wählte den zu dieser Zeit leeren Highway 12 und fuhr an den blinkenden Lichtern des Pony Island Motels vorbei.
    Hatteras.
    Ich drückte aufs Gas und raste durch den Stadtrand von Ocracoke Village, vorbei an Jason’s Restaurant, der Post, dem Cafe Atlantic und Howard’s Pub.
    Zur Fähre nach Hatteras am Nordzipfel von Ocracoke waren es zwölf einsame Meilen.
    Mir blieben elf Minuten, um dort anzukommen, in einem kaputten Auto, kurz davor, ohnmächtig zu werden.
     
    Der Tacho zeigte über achtzig Meilen pro Stunde an und der Motor jaulte, während im Rückspiegel die Lichter von Ocracoke verschwanden.
    Grauer Morgenhimmel, Dünen und Marschland flogen vorbei.
    Die wilde See ungestüm und schäumend.
    Graupel, der auf die Windschutzscheibe klopft.
    Asphalt, der unter dem Auto verschwindet, die Straße nach Norden im trübblauen Nichts des Tagesanbruchs.
    4:56.
    Ich quälte den Motor auf über fünfundachtzig, der Geruch von heißem Metall drang durch den Boden.
    4:57.
    Zum ersten Mal hatte ich Augen für meine Kleidung – die Flieshose geschmolzen, mein Unterhemd durchsetzt von talergroßen, schwarz umrandeten Löchern, die der Strom durch das Polyestergewebe gefressen
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