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Blutzeichen

Titel: Blutzeichen
Autoren: Blake Crouch
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Gyros.
    Nachdem er die Hände an seinem Hemd abgewischt hatte, erhob er sich schwerfällig von einem wackeligen Drehstuhl, verließ schlurfend sein Büro und schloss die Tür hinter sich.
    Die Lobby war für die Mittagszeit ungewöhnlich ruhig und die Fahrstuhltüren öffneten sich auf den Knopfdruck sofort. Er fuhr aufwärts und dachte, dass er besser drei statt zwei Gyros zum Mittagessen gekauft hätte.
    Die Türen glitten wieder auf, er betrat den zweiundzwanzigsten Stock und suchte in den Taschen seines riesigen Overalls nach dem Schlüsselbund mit dem Generalschlüssel.
    Er rülpste.
    Das Echo schallte durch den leeren Flur.
    Verdammt, hatte er noch Hunger!
    Er blieb vor 2211 stehen, klopfte und rief durch die Tür: »Der Hausmeister!«
    Niemand antwortete.
    Joe Mack steckte den Generalschlüssel ins Schloss. Es ließ sich leicht drehen.
    Er drückte die Tür auf.
    »Hallo?«, rief er von der Türschwelle aus und bewunderte gleichzeitig das Apartment – groß, Flachbildfernseher, weicher, nachtblauer Teppich, antiker Schreibtisch, wunderbarer Blick über Soho, vermutlich jede Menge Lebensmittel im Kühlschrank.
    »Irgendwer zu Hause?«
    Viermal drehte er das Schloss und jedes Mal funktionierte es einwandfrei.
    Irgendwo im Treppenhaus wurde eine weitere Tür geöffnet und die näher kommenden Schritte hallten auf dem Hartholzboden wider. Joe Mack schaute den Flur entlang und sah einen großen Mann mit schwarzen Haaren und schwarzem Mantel auf sich zukommen.
    »Hey, Kumpel, waren Sie der Typ, der mich gerade angerufen hat?«, fragte Joe Mack.
    Der Mann mit den schwarzen Haaren blieb vor der offenen Tür von 2211 stehen.
    Er roch merkwürdig, nach Windex und Zitronen.
    »Ja, der war ich.«
    »Oh! Dann haben Sie das Schloss selbst repariert?«
    »Ich war nie in diesem Apartment.«
    »Warum zum Teufel haben Sie mich dann – «
    Eine Messerklinge blitzte auf. Der Mann hielt ein Jagdmesser mit Elfenbeingriff in der Hand. Er ließ die blitzende Klinge quer über Joe Macks dicken Bauch, durch Jeansstoff, Baumwolle und mehrere Hautschichten gleiten.
    »Nein, warten Sie ‘ne Sekunde – «
    Der Mann hob sein rechtes Bein und schubste Joe Mack über die Schwelle.
    Der Hausmeister stolperte rückwärts, der Mann folgte ihm ins Apartment, schmiss die Tür zu und drehte den Schlüssel.
     
    Karen verließ den Verlag um 18.30 Uhr und tauchte mitten hinein ins verrückte Treiben eines Manhattan-Abends, der Himmelsfetzen zwischen den Gebäuden glühte vom letzten Sonnenlicht und blendendem Glas und Stahl. Es war der letzte Freitag im Oktober, der Herbst leuchtete ein letztes Mal über der Stadt, und während Karen die fünfzehn Häuserblocks bis zu ihrem Apartment in Soho ging, beschloss sie, an diesem Abend noch nicht mit dem Manuskript in ihrer Ledertasche zu beginnen.
    Stattdessen würde sie in ihren Pyjama schlüpfen, ein Glas Bio-Chardonnay aus dem Naturkostladen trinken und sich irgendwas im Fernsehen anschauen, worüber sie nicht nachdenken musste.
    Sie hatte eine fürchterliche Woche hinter sich.
    Es war in Ordnung, sich zu verwöhnen.
     
    Um 19.55 Uhr verließ sie ihr Schlafzimmer in einem schwarzen Satinpyjama, der sich wunderbar kühl auf der Haut anfühlte. Ihr wirres, blondes Haar war zu einem Knoten gedreht und mit den Stäbchen hochgesteckt, die mit dem Essen vom Chinesen geliefert worden waren. Die zwei ungeöffneten Schachteln mit dem Essen und eine Weinflasche standen auf dem Glastischchen zwischen Sofa und Plasmafernseher. Es roch nach süßsaurem Rindfleisch mit Sesam.
    Sie ließ sich auf das Sofa fallen und öffnete die Weinflasche.
    Ashley Chambliss’ CD Nakedsongs war verstummt und in der Stille ihres Apartments überkam Karen ein Gefühl von Einsamkeit.
    Siebenunddreißig.
    Wieder Single.
    Kinderlos.
    Aber ich bin nicht einsam, dachte sie, schaltete den Fernseher ein und goss sich ein gesundes Glas Chardonnay ein.
    Ich bin nur allein.
    Das ist ein Unterschied.
     
    Nachdem Karen sich Dirty Dancing angesehen hatte, beschloss sie, sich mit einem Bad zu verwöhnen. Sie hatte die Badezimmertür geschlossen und eine nach Gewürzkeksen riechende Duftkerze angezündet, die nun in einem Glas auf dem Waschtisch stand. Der Schatten der Flamme flackerte unruhig über die feuchten Stuckwände.
    Karen rieb ihre langen, muskulösen und vom Badeöl geglätteten Beine gegeneinander. Als sie sich vorstellte, wie ein zweites Paar Beine zwischen die ihren glitt, schloss sie die Augen, strich sich mit den Händen über
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