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Blutsverwandte: Thriller (German Edition)

Blutsverwandte: Thriller (German Edition)

Titel: Blutsverwandte: Thriller (German Edition)
Autoren: Jan Burke
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Justizministeriums über vermisste Kinder aus dem Jahr 1999. Darin wurde die Zahl von Kindern, die in den Vereinigten Staaten als vermisst gemeldet waren, auf eine erstaunliche Zahl geschätzt, nämlich 797 500, was hieß, dass in Amerika tagtäglich über 2100 Kinder verschwanden – 91 Kinder pro Stunde.
    Wenn es nur Zahlen gewesen wären, hätte ich mich wahrscheinlich einem anderen Thema zugewandt. Doch es waren Kinder.
    Die Gründe für ihr Verschwinden waren komplex. Dem Vernehmen nach waren die meisten von ihnen Ausreißer, an sich schon ein trauriger Kommentar und wiederum kein Problem mit einer einzigen Ursache oder einer einfachen Lösung. Auch war nicht immer erwiesen, dass Kinder, die als Ausreißer etikettiert wurden, freiwillig verschwunden waren. In manchen Gerichtsbezirken war es schlicht und einfach Tatsache, dass die Polizei nur ungern Zeit dafür aufwandte, einen Teenager aufzuspüren, der wahrscheinlich gar nicht nach Hause zurückgebracht werden wollte. Es war leicht, »Ausreißer« auf einen Bericht zu schreiben, wenn man keine Lust hatte, sich allzu sehr zu verausgaben.
    Eine Frau erzählte mir, dass sie, als sie sich nach dem Verschwinden ihres siebzehnjährigen Sohnes hilfesuchend an die Polizei gewandt hatte, mit einem Detective gesprochen habe, der weiter nichts unternahm, als den Namen ihres Sohnes, sein Alter und eine oberflächliche Beschreibung aufzunehmen. »Lady, wahrscheinlich wollte er nur weg von Ihnen«, bemerkte er anschließend herzlos. Das war in etwa alles, was man vor dreißig Jahren in puncto polizeiliche Ermittlungen erwarten konnte, und trotz unermüdlicher Anstrengungen ihrerseits erfuhr sie nie, was aus ihrem Sohn geworden war.
    Die Polizei behauptete, dass sich das Anzeigeverfahren seit damals verändert habe, man jedoch einfach nicht die Mittel besitze, sich groß um Fälle zu kümmern, in denen das betreffende Kind nicht eindeutig in unmittelbarer Gefahr war. Und Jugendliche, die dem Vernehmen nach freiwillig verschwunden waren, besaßen eine noch viel geringere Priorität.
    Ich überredete John Walters, den Chefredakteur des Express , mich eine Geschichte über die Kinder schreiben zu lassen, die nicht freiwillig verschwunden waren. Dazu zählte die zweitgrößte Gruppe nach den Ausreißern, nämlich die Fälle sogenannter innerfamiliärer Kindesentziehung, und ich konzentrierte mich auf die über 203 000 Betroffenen, die in diese Kategorie fielen. Dies war die Zahl von Kindern, deren Entführung durch einen früheren Ehegatten oder einen anderen Verwandten im Lauf eines Jahres durch den sorgeberechtigten Elternteil gemeldet worden war.
    Wie in jeder Großstadt – Las Piernas hat etwa eine halbe Million Einwohner – gab es auch bei uns etliche solcher Fälle. Ich interviewte mehrere Personen, die zwar nicht glaubten, dass ihr Exehepartner dem Kind etwas antun oder es in Gefahr bringen würde, die jedoch wütend und tieftraurig darüber waren, von ihrem Kind getrennt zu sein. Auch machte ihnen zu schaffen, was dem Kind über sie erzählt wurde, und sie waren besorgt darüber, wie sich ein Leben auf der Flucht auf das Kind auswirkte.
    Ich interviewte auch andere Leute, deren Kinder oder Enkel von einem nicht sorgeberechtigten Elternteil aus ihrem Leben gerissen worden waren, die jedoch guten Grund hatten, um ihre Kinder zu fürchten, da ihre Expartner bereits früher als Suchtkranke, Geistesgestörte oder Gewalttäter aufgefallen waren.
    Für eine Nebengeschichte interviewte eine meiner Kolleginnen eine flüchtige Mutter, die die Kinder ihrem Vater entzogen hatte, der das gesetzliche Sorgerecht innehatte. Die Frau lebte nun mit den zwei Kindern und ihrem zweiten Mann in Mexiko. Wir sprachen mit Großeltern, Tanten und Onkeln, die allesamt betroffen waren, wenn ein Kind von einem nicht sorgeberechtigten Elternteil entführt wurde.
    Frank prophezeite, dass uns diese Reportage Beschwerden einbringen würde.
    »Wir werden über jeden Aspekt dieses Themas Beschwerden bekommen. Ich konnte nicht über alle schreiben, also werden sich andere beklagen, deren Kinder auch vermisst werden. Nicht sorgeberechtigte Elternteile werden darüber schimpfen, dass wir nicht mehr auf sie eingegangen sind. Manchmal denke ich, es ist mein Beruf, die Öffentlichkeit vor den Kopf zu stoßen.«
    »Noch etwas, das unsere Jobs gemeinsam haben.«
    Er wollte gerade weitersprechen, als wir Ethan im Wohnzimmer herumtappen hörten. Die Hunde, die im Schlafzimmer auf dem Fußboden geschlafen hatten,
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