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Blutsverwandte: Thriller (German Edition)

Blutsverwandte: Thriller (German Edition)

Titel: Blutsverwandte: Thriller (German Edition)
Autoren: Jan Burke
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tragen.
    Die Liste der erlaubten Gegenstände kannte er auswendig:
    Seinen Führerschein, der nicht in einer Brieftasche stecken durfte, jedoch bei jedem Besuch als Identitätsnachweis mitgeführt werden musste.
    Ein Taschentuch – keine Bandanas.
    Ein Päckchen Papiertaschentücher, ungeöffnet.
    Eine Geldbörse mit maximal dreißig Dollar Inhalt, ausschließlich in Münzen oder Ein-Dollar-Scheinen. Nichts davon durfte beim Inhaftierten verbleiben.
    Ein Kamm oder eine Bürste.
    Zwei Schlüssel an einem Schlüsselring ohne Anhänger.
    Bis zu sechs Fotos, die in einer durchsichtigen Plastiktüte stecken mussten.
    Weder Kaugummi noch Zigaretten, Esswaren, Kameras, Pager oder Handys.
    Und er trug nie einen Gürtel oder Schuhe, in denen Metall verarbeitet sein könnte.
    Nachdem er sein Auto abgestellt hatte, näherte er sich der ersten Anmeldezone. Er war einer der Ersten in der Schlange und füllte rasch die nötigen Formulare aus, die mit im Computer gespeicherten Daten abgeglichen wurden, um zu gewährleisten, dass Mason in den Besuch eingewilligt hatte und an diesem Tag zur Verfügung stand. Dann bekam er den Stempel mit Ultravioletttinte auf die Hand und durchlief die Sicherheitsmaßnahmen – Schuhe ausziehen, durch den Metalldetektor gehen, Schuhe wieder anziehen. Mit einem Kleinbus fuhr er zu dem Besucherzentrum, das zu Masons Bau gehörte, durchlief eine zweite Sicherheitsprüfung und ging nach unten, wo er sich am für diese Etage zuständigen Schalter anmeldete, ehe er sich einen Tisch aussuchte und die zwanzig Minuten wartete, die Mason brauchte, um das Verfahren auf seiner Seite zu absolvieren.
    Er versuchte, die Nachwehen des Albtraums abzuschütteln, den er jede Samstagnacht hatte – dass er zum Gefängnis fuhr und dort wartete, nur um dann von einem Wachmann erfahren zu müssen, dass Mason tot war. In anderen Nächten träumte er von einem Anruf bei sich zu Hause, und dann fuhr und fuhr er, kam aber nie am Gefängnis an, um Masons Leichnam abzuholen. Nur seine Angstträume von Jenny waren noch schlimmer.
    Als Mason hereinkam, überkam Caleb die gewohnte Erleichterung, die er beim ersten Anblick seines Bruders immer verspürte. Die Befürchtungen, er könnte verletzt oder krank oder Schlimmeres sein, verflogen, und auch auf Masons Gesicht zeichnete sich Erleichterung ab. Sie umarmten einander kurz zur Begrüßung, wie es die Vorschriften erlaubten.
    »Du siehst müde aus«, sagte Mason, während er ihn musterte.
    »Ich musste letzte Woche ein Referat für einen Kurs ausarbeiten.« Caleb musterte nun seinerseits Mason. Sein Bruder hatte sich in den letzten fünf Jahren massiv verändert. Er war drahtiger geworden, muskulöser. Was Caleb einst als Zähigkeit erschienen war, war nun hart geworden und kantig.
    Zu Beginn hatte Mason eine Zeitlang unter Depressionen gelitten. Diese hatte er zwar überwunden, doch die innere Leere, die Caleb an ihm wahrgenommen hatte, war von ständiger Wachsamkeit abgelöst worden. Bei all seinen Besuchen wusste Mason genau, wo sich welche Person im Raum befand, und nahm sämtliche Veränderungen wahr – wenn Leute gingen, neue hereinkamen oder sich andere umsetzten.
    Andererseits schärfte er Caleb jedoch ein, bei seinen Besuchen niemals Blickkontakt zu anderen Gefangenen aufzunehmen oder sie auch nur flüchtig anzusehen, eine Regel, die Caleb befolgte, als er erfuhr, dass Mason womöglich Prügel beziehen würde, falls ein Mitgefangener der Meinung war, Caleb hätte ihm mit seinem Blick mangelnden Respekt erwiesen.
    Caleb durfte vom Tisch aufstehen und etwas aus den Automaten ziehen, doch Mason musste die ganze Zeit am Tisch sitzen bleiben.
    »Wie war deine Woche?«, fragte Caleb.
    Ein Achselzucken. »Genau wie die letzte.« Später würde Caleb ihm mehr entlocken, auch wenn er wusste, dass Mason nie viel von dem herausließ, was sich im Gefängnis abspielte. In Briefen war er manchmal offener. Verletzungen – Stichwunden, Blutergüsse oder Schlimmeres – wurden nie erklärt.
    Sie hatten schwierige Phasen durchgemacht, in der Zeit, als Mason notgedrungen lernen musste, sich anzupassen, während Caleb zu verstehen suchte, was im Grunde kein Außenstehender konnte, und es hatte sogar eine Zeit gegeben, in der sich Mason die Besuche verbeten hatte. Caleb bat trotzdem darum, ihn besuchen zu dürfen, doch erst als er in einem Brief schrieb, dass er nun, seit Dads Tod, keinen Mann mehr hatte, mit dem er seine Probleme besprechen konnte, gab Mason nach. Mason akzeptierte ihn
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