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Blutsgeschwister

Blutsgeschwister

Titel: Blutsgeschwister
Autoren: Dia Reeves
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nicht den ganzen Weg hier rausgekommen, um dir die Haare zu schneiden«, sagte Kit, während sie den Eindringling durchsuchte. »Schauen wir mal nach der Beute.«
    Fancy sah unter Kits Bett nach, aber die Schatzkiste, in der sie ihr Taschengeld aufbewahrten, war verschlossen und unberührt. »Es ist noch alles da«, sagte sie und ging zum Fußende ihres Betts zurück.
    Kit war bei ihrer Suche auf ihr Armband mit den Anhängern und auf Fancys abgeschnittenes Haar in einem Plastikbeutel gestoßen. »Ich verstehe, warum man ein goldenes Armband stiehlt«, sagte sie leise zu dem Eindringling. »Aber Haare?« Sie schlug den Beutel unsanft gegen seine laufende Nase. »Was willst du mit Haaren von meiner Schwester?«
    »Bitte. Ruf den Krankenwagen.« Der Eindringling war geschockt und verwirrt, als würde er nicht verstehen, dass das Mädchen, dessen Frage er nicht beantwortete, der Grund war, warum er überhaupt einen Krankenwagen brauchte.
    »Krankenwagen, Schrankenwagen«, sagte Kit und stieß ihm in die verletzte Seite. Sie lächelte, als er schrie.
    »Ich blute!«
    »Ich weiß«, sagte Kit übertrieben langsam, als wäre der Eindringling geistig zurückgeblieben. »Ich hab dich niedergestochen.« Sie rettete ihren Lippenstift auf eine Weise aus seinem Schoß, die ihn zusammenzucken ließ.
    »Du wärst nicht der Erste, der hier stirbt«, erklärte ihm Kit. »Unser Großonkel ist in Fancys Bett an Grippe gestorben, als er acht war. Ich lege dich in mein Bett.« Kit warf Fancy einen fragenden Blick zu. »Scheint mir nur fair, oder?«
    Fancy hatte ihre Wange an den kühlen Messingpfosten des Betts gepresst, als würde sie sich wünschen, noch zu schlafen. »Wir können ihn hier nicht sterben lassen.«
    »Wahrscheinlich nicht. Sag du es uns«, sagte Kit zu dem Eindringling. » Wo willst du sterben?«
    Der Eindringling rappelte sich auf und kroch zur Fliegentür. Bevor er sie öffnen konnte, schnappte sich Kit den Briefbeschwerer, in dem Fancy ihre Milchzähne aufbewahrte, vom Schminktisch und schlug ihn ihm auf den Hinterkopf. Nachdem er auf dem Boden zusammengebrochen war, sagte sie: »Interessante Wahl.«
    Bewusstlos sah der Eindringling viel jünger aus, aber immer noch älter als Fancy und Kit. Collegealter, mindestens.
    »Meinst du, der wollte nur einen Streich spielen?«, fragte Kit und stupste ihn mit ihrer nackten Zehe an. »Ein Collegestreich oder ein schwachsinniges Aufnahmeritual? Jemand hat ihm gesagt, er soll ins Haus des Knochensägen-Killers gehen und zum Beweis, dass …«
    »Ist doch egal, warum er hier ist«, sagte Fancy und fuhr auf der Suche nach einem weiteren kühlen Punkt mit ihrer heißen Wange an dem Pfosten entlang. »Mich interessiert nur, wie wir ihn loswerden.«
    »Du hast recht.« Kit stemmte die Verandatür auf. Eine staubfarbene Motte flatterte herein und landete auf Kits nackter Schulter, als wäre sie das Hellste im ganzen Raum. »Madda scheißt sich in die Hose, wenn sie nach Hause kommt und alles voller Blut ist.«
    »Sag nicht ›scheißen‹, mahnte Fancy. Kit drehte den Eindringling auf den Rücken und hob seine Beine hoch. »Wo bringst du ihn hin?«
    »In den Keller.«
    Unter Fancy fing der Boden an zu schwanken. Sie entfernte sich von dem Pfosten. Unter ihrem pinkfarbenen Nachthemdchen perlte Schweiß.
    »Stimmt was nicht?« Kit war im Türrahmen stehen geblieben. Sie wirkte in ihrem Höschen langbeinig und dürr wie ein Junge. Nicht so wie Fancy, die sich seit ihrem fünfzehnten Geburtstag vor ein paar Monaten beängstigend schnell entwickelte.
    Fancy fühlte sich, als hätte sie wieder ein Symptom dieser ungewollten Entwicklung, so ähnlich wie ein Menstruationskrampf, nur eben in ihrer Brust und nicht in ihrem Bauch. Sie dachte an Daddy und wie sie ihn das letzte Mal vor drei Jahren in diesem Gerichtssaal gesehen hatte. Sie wollte jetzt nicht zum letzten Mal Kit sehen.
    »Madda kommt dahinter.«
    »Madda hat Angst vorm Keller«, widersprach Kit und zog den Eindringling halb aus der Tür. Vorsichtig steuerte sie rückwärts die Verandastufen hinab. »So viel Cash gibt’s auf der ganzen Welt nicht, um sie dazu zu bringen, auch nur in die Nähe zu gehen.«
    »Was, wenn er schreit?«
    »Schon mal einen von Daddys Leuten gehört, wenn sie im Keller waren?«
    Fancy nahm die herabhängenden Arme des Eindringlings und zerrte ihn zurück in den Raum und weg von Kit. »Du bist nicht Daddy.«
    Die dunklen, trügerisch unschuldigen Augen ihrer Schwester blitzten auf, als sie beide in
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