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Blutsgeschwister

Blutsgeschwister

Titel: Blutsgeschwister
Autoren: Dia Reeves
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»Solange sie weg ist. Bitte lass mich gehen. Ich sag auch nichts.«
    Fancy schwieg. Sie fing an, vorsichtig eine der Nadeln aus dem Kasten einzufädeln.
    »Ich weiß, dass du eine Gute bist. Du hast nicht zugelassen, dass sie mich umbringt. Ich weiß, du bist ’ne Gute. Bitte!«
    Fancy sah ihm in die Augen, bis er mit seinem Geplapper aufhörte und sich wirklich auf sie konzentrierte, sie wirklich sah. Als er ruhig war, sagte sie:
    »Daddy ist eingesperrt, deshalb sehen wir ihn nie. Madda musste Zwölfstundenschichten machen, um uns zu versorgen, also sehen wir sie auch nie. Wenn Kit dich umbringt, sperren sie sie auch ein, und dann habe ich niemanden mehr. Das ist der einzige Grund, warum du noch lebst. Wenn ich nämlich denken würde, ich könnte es tun, ohne erwischt zu werden, würde ich dich höchstpersönlich umbringen.«
    Fancy wandte sich von seinem entsetzten Blick ab und machte Nadel und Faden einsatzbereit.
    »Ich bin die Tochter des Knochensägen-Killers«, flüsterte sie wie zu sich selbst. »Wie kommst du bloß darauf, ich wäre eine Gute?«

AUS FANCYS TRAUMTAGEBUCH:
    Ein Arzt untersuchte mich und Kit und sagte, wir wären krank, weil Kit mein Herz hätte und ich ihres. Aber als er unsere Herzen vertauschte, hörten sie auf zu schlagen.

KAPITEL ZWEI
    »Lass uns doch«, sagte Fancy, während sie den Tisch deckte und Kit an der Küchentheke Obststückchen schnitt, »nach dem Frühstück zum Bony Creek gehen. Da waren wir schon lang nicht mehr.«
    »Aber ach, wir können nicht, Fancy Pants«, sagte Kit. Die Klinge blitzte im frühen Morgenlicht, das durch das Küchenfenster floss. »Wir müssen Franken baden.«
    Dank Kit war der Eindringling jetzt mit so vielen Stichen übersät, dass sie ihn lachend umgetauft hatte, wie ein Haustier. Kit kümmerte sich auch um ihn wie um ein Haustier, fütterte ihn, säuberte ihn. Franken schien unter ihrer Fürsorge aufzublühen und schrie nur noch ganz selten, sogar wenn sie ihn schnitt.
    Fancy bewunderte, wie routiniert ihre Schwester mit dem Messer umging, und fragte sich, ob Kit schon immer so versiert gewesen war oder ob sie ihre Fähigkeiten in der Zeit mit ihrem Kellerspielkameraden perfektioniert hatte. Fancy selbst hatte solch erstklassige Nähtechniken entwickelt, dass sie wahrscheinlich einen Job im Krankenhaus bekommen könnte. Sie wünschte sich aber, Kit würde Franken in Ruhe lassen. Es war dumm, ständig einen Typen aufzuritzen, den man nie töten würde. Davon hatte man nur eine Menge Blut, das weggewischt werden musste, und Fancy hatte schon genug Arbeit im Haus zu erledigen.
    »Mach nicht so ’n Gesicht«, sagte Kit. Sie warf das ganze Obst in eine Schale und reichte sie Fancy. »Du wolltest doch, dass er am Leben bleibt.«
    »Am Leben bleiben, aber nicht für immer im Keller bleiben. Wir verbringen den halben Tag damit, an ihm rumzuspielen. Wir hängen gar nicht mehr zusammen ab.«
    »Wir hängen dauernd zusammen ab«, widersprach Kit und behielt Eier und Bacon im Auge. »Manchmal hängen wir im Zug ab, manchmal im Flieger. Wir hängen oft in der Sonne ab, und manchmal im Regen.«
    »Nicht am Bony Creek«, sagte Fancy und ignorierte die poetischen Übertreibungen ihrer Schwester. »Nicht seit wir aus der Schule sind. Ich will nach Hexenringen suchen.«
    Kit lachte sie tatsächlich aus. »Du glaubst doch nicht immer noch an den Scheiß, oder? Das ist doch ein Märchen.«
    »Türen sind kein Märchen.« Das waren sie wirklich nicht. Es war kein Zufall, dass Portero »Türwächter« bedeutete. Portero war voller Türen, und nicht alle hatten vier Seiten und einen Türknauf. Einige waren sehr viel subtiler, und manchmal gingen Leute durch eine hindurch, ohne es zu bemerken, und dann landeten sie in einer Wüste mit vier Monden und lilafarbenem Sand und Kreaturen, die glaubten, dass Menschen wie Hühnchen schmeckten. »Dauernd verschwinden Leute durch Türen.«
    »Das weiß ich, aber doch nicht durch Hexen türen. Hexenringe sind nur Pilze, Fancy. Ich kann nicht glauben, dass du lieber mit Pilzen spielst als mit einem echten Jungen in unserem Keller.«
    Kit war in den letzten Jahren beunruhigend verrückt nach Jungs geworden. Sie hüpfte in engen T-Shirts und Leggins herum, die ihre Kurven, so schwach ausgeprägt sie auch sein mochten, zur Geltung brachten, statt zu betonen, wie dünn sie war. Sie trug Lippenstift und Nagellack und schmierte sich Creme mit Brombeerduft auf Haut und Haar, als wollte sie, dass ein Junge sie irrtümlich für einen Kuchen
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