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Blutschwestern

Blutschwestern

Titel: Blutschwestern
Autoren: Aufbau
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gefertigt.«
    Nona folgte dem Blick Ilanas. Wahrlich, diese Weiber sahen furchterregend aus. Die Hände wie knorrige Äste, Gesichter wie
     alter zerfurchter Stein, und inmitten dieser Gesichter funkelten jeweils zwei Augen, denen trotz des Alters nichts zu entgehen
     schien.
    Nona folgte Ilana hinüber zu Akari, die bereits wieder auf ihrem Thron Platz genommen hatte. Die andere Schwesternkönigin
     bemühte sich, Nona so gut es ging zu übersehen. Als sie die Hand ausstreckte, nahm Ilana diese. Dann wurde es ruhig. Alle
     warteten auf die Entscheidung der Waldfrauen. Langsam, so als hätten sie alle Zeit der Welt, traten sie vor, und die Erste
     begann mit einer seltsamen Verkündung.
    »Es sang der Quell aus reinem Mund, verkündet heut die letzte Stund, zwei Schwestern jung im Herz und gut, noch fehlt es ihnen
     nicht an Mut …«, sang sie mit krächzender Stimme.
    Schließlich fiel die zweite in den Gesang ein. »… doch bald schon sei das Herz voll Gift, auf dass auch sie das Schicksal
     trifft, zu kämpfen, sterben und zu ruhn, der Erbschuld muss sie Sühne tun …«
    Als Letzte fiel die Dritte in den Singsang ein. »… so geh nun hin, unglücklich Kind, auf dass sein Gift dein Herz verbrennt,
     Akaris helles Licht – für dich ist dieses Gift!«
    Nona stand stocksteif, während die alten Frauen ihre dürren Finger hoben und gleichzeitig auf Akari wiesen. Es fiel ihr schwer,
     nicht laut aufzuatmen, denn obwohl sie froh war, dass Ilana in Engil verbleiben würde, gönnte sie Akari nicht das grausame
     Schicksal, das ihr soeben verkündet worden war.
    Ilana hielt Akaris Hand noch immer fest. Die Endgültigkeit der Entscheidung schien sie in diesem Augenblick noch enger aneinander
     zu binden. Sie wollte die geliebte Schwester nicht ziehen lassen, |48| doch die Gesandtschaft von Dungun war bereits vorgetreten und vor Akari auf die Knie gefallen.
    »Akari«, flüsterte Ilana ihr leise zu, bevor sich ihre Schwester erhob, »… vergiss nicht, was wir uns geschworen haben. Wir
     werden diesen Fluch beenden. Lass das Gift Muruks nicht dein Herz gegen mich aufbringen. Wenn wir uns dereinst in der schwarzen
     Asche Melasans gegenüberstehen, soll noch immer Liebe in unser beider Herzen sein. Nur so können wir den Fluch besiegen!«
    Akari nickte zum Zeichen des Verstehens, dann umarmten sich die Schwestern ein letztes Mal.
    »Ich wünsche dir Kraft und das Licht Salas in den dunklen Tagen, welche dir bevorstehen, Akari«, flüsterte Ilana, als ihre
     Schwester von der düsteren Gesandtschaft in ihre Mitte genommen und fortgeführt wurde.
    Obwohl die Männer aus Dungun plump und schwerfällig aussahen, verschwanden sie in der Dunkelheit, ohne kaum einen Laut von
     sich zu geben – es schien Nona fast so, als wäre die Dunkelheit für sie ein lieber Gefährte, der sie umschmeichelte, wie sie
     nun auch Akari begierig willkommen hieß … sie geradezu verschlang.
Der Schrecken des Ortes betrügt mein Auge
, beruhigte Nona sich, jedoch ohne großen Erfolg.
    Ilana und Nona sahen der Gesandtschaft hinterher, bis der Schein ihrer Fackeln hinter der Wegbiegung verschwand. Sie waren
     gekommen, um ihre Königin zu holen, und sie würden nicht länger verweilen als nötig.
    »Sie wird es schaffen«, sprach Ilana mit hoffnungsvollem Blick zu Nona, die nicht wagte zu widersprechen.
    Liandra war es schließlich, welche die grausame Wahrheit rücksichtslos und mit klarer Stimme aussprach. Die Worte der Hohepriesterin
     durchschnitten die Stille wie ein Schwert aus geschliffenem Kristall. »Jedes Mal seit Jahrhunderten versprechen sich die Schwestern,
     den Fluch zu brechen, und jedes Mal vergiftet Muruk das Herz derjenigen, die nach Dungun gehen muss. Es ist so, wie es |49| in den Überlieferungen Muruks und Salas geschrieben steht: Keine Königin, kein Mensch, kein Greif kann den dunklen Fluch Muruks
     brechen.« Sie legte Ilana eine Hand auf die Schulter und lächelte sie traurig an. »Es ist das Schicksal der Menschen, Ilana.
     Sei dankbar, dass du in Engil bleiben darfst.« Dann wandte sich die Priesterin von ihnen ab und ging zu den Waldfrauen, um
     sie für ihre Verkündung mit Fellen, Krügen und allerlei Dingen zu entlohnen.
    Nona und Ilana sahen Liandra hinterher, die sich vor den Waldfrauen verbeugte. Ilana erhob sich von ihrem Thronstuhl und tat
     ebenfalls eine Verbeugung in Richtung der Alten, welche diese mit einem Nicken erwiderten. Sie straffte die Schultern, die
     Nona zu schmal vorkamen, als dass sie dazu
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