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Blutschwestern

Blutschwestern

Titel: Blutschwestern
Autoren: Aufbau
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von einem Duft in die Nase, welcher sie für einen Augenblick ihre Angst vergessen machte. Einen Herzschlag
     lang verspürte sie das unsinnige Verlangen, sich ihm hinzugeben, vollkommen und bedingungslos. Doch dann war der Duft verschwunden,
     und sie wich vor ihm zurück. »Rühr mich nicht an, Halbmensch!«
    »Nona …«, versuchte es Ilana erneut. »Er ist anders als die anderen. Eine Waldfrau brachte ihn mir vor drei Sommerwenden.
     Sie hatte ihn an der Grenze des Isnalwaldes gefunden, in der Nähe des Mugurgebirges. Sie hatten ihn dort zum Sterben zurückgelassen,
     seine Flügel waren mit Steinen zertrümmert worden. Er war noch ein Kind, und da er so absonderlich war, nahm die Alte ihn
     mit und |43| pflegte ihn gesund. Dann brachte sie Dawon zu mir. Seitdem ist er an meiner Seite, und ich habe es nie bereut. Dawon ist mir
     stets ein treuer Freund gewesen.«
    Dawon spannte seinen rechten Flügel und nickte Nona begütigend zu. »Sie haben Dawon die Schwingen zertrümmert; die, welche
     Nona mein Volk nennt. Kann Nona den Knick an Dawons Schwinge erkennen? Das haben sie Dawon angetan. Trotzdem kann Dawon fliegen.
     Waldfrauen verstehen sich auf Heilkunst, und Ilana hat Dawons gebrochene Seele gesund gemacht.« Der Greif schmiegte sich nun
     fast wie eine Katze an Ilana, die Königin erwiderte seine Umarmung. »Ilana ist Dawons geliebte Königin, Dawon mag Ilana.«
    Nona spie dreimal vor Dawon aus. »Und doch bist du ein Greif. Du riechst wie sie!«
    Ilana blickte Nona fragend an. »Wie meinst du das? Ich habe niemals Greifenduft an Dawon bemerkt.« Wie zum Beweis hob Dawon
     seine Schwingen, und Ilana schnupperte. »Nichts«, stellte sie fest.
    Nona verzog angewidert die Lippen.
    Ilana löste sich aus der Umarmung des Greifs und wandte sich an Nona. »Ihr werdet euch schon noch anfreunden«, stellte sie
     zuversichtlich fest und winkte Nona, ihr ins Haus zu folgen. Nona sah sich noch einmal misstrauisch nach Dawon um und wich
     zurück, als er seine Schwingen spannte und sich in die Lüfte erhob, um erneut auf seinem Ast zu landen. Wieder fing sie einen
     Hauch des betörenden Duftes auf und verspürte das Bedürfnis, sich ihm hinzugeben.
    »Bleib mir ja vom Leib«, wies sie ihn an, während er sie scheinbar harmlos auf seinem Ast hockend beobachtete, und lief hinter
     Ilana her.
    »Schöne Menschin wird erkennen, dass Dawon anders ist. Vielleicht will Nona dann Dawon vertrauen …«, hörte sie seine Worte
     in ihrem Rücken und war froh, als sie aus seiner Sichtweite war.
    |44| Der Abend war kühl und angenehm. Ilanas Gemächer waren größer, als Nona es vermutet hätte. Auch wenn Ilanas Haus von außen
     nicht viel anders aussah als ein steinernes Gemäuer; ihre Räume waren vorzüglich eingerichtet. Engilianische Kreismuster zierten
     die Wände, Bett, Liegen, Tische und Stühle waren aus dem seltenen begehrten cremeweißen Bellockholz gefertigt, das so hart
     war, dass es Jahrtausende überdauern konnte, ohne einen Kratzer aufzuweisen. Gewebte Decken und Tüchter aus dem Wiesenland,
     von den zarten Händen der sagenhaften Lalu-Frauen gefertigt, geisthafte Wesen mit feinen Gesichtszügen, denen man große Zauberkräfte
     nachsagte, zierten das Ruhelager und die Liegen. Die Gewebe, welche aus dem Wiesenland jenseits des Taligebirges stammten,
     waren so zart und durchscheinend, dass es nichts Vergleichbares von Menschhand Gefertigtes gab. Das Wiesenland war weit entfernt,
     und nach Engil kamen meist nur die Waldfrauen, um ihre Orakel zu verkünden oder Kräuter und Heilsalben zu verkaufen. Selbst
     die bösen Schjacks, hundeähnliche Raubtiere, überschritten nicht die Grenzen und blieben im Sumpfland, welches das Königreich
     Dungun umgab. Niemand hatte bisher auch nur ansatzweise ein ähnlich zartes Tuch herstellen können wie die Lalu-Frauen.
    Ilana hatte für sie beide frische Beeren auftragen lassen, die nach dem von Schrecken und Todesangst gezeichneten Tag so süß
     und saftig waren, als wären sie von der Sonne und vom Leben selbst geküsst worden. Ilana und Nona vertrieben sich die Zeit
     mit dem Fünfholz-Spiel, das in Engil so bekannt war, dass es sowohl in den Häusern der Armen als auch der Reichen gespielt
     wurde. Es war ein sehr einfaches Spiel, bei dem es darum ging, die fünf Spielhölzer der Gegnerin mit den eigenen einzukreisen.
     Bei jedem Zug durfte der Spieler nur ein Holz bewegen oder verrücken, und die Spieler mussten versuchen, die Hölzer der Gegnerin
     freizulegen, denn
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