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Blutschwestern

Blutschwestern

Titel: Blutschwestern
Autoren: Aufbau
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nur wenn es gelang, ein freiliegendes Holz der Gegnerin zu erspielen, war es möglich, die verbleibenden
     Hölzer mit den eigenen einzukreisen. Obwohl die Regeln des Spiels einfach zu erlernen waren, |45| war der Spielverlauf so kniffelig, dass die Spieler manchmal mehrere Stunden brauchten, bis es einen Sieger gab.
    Als Liandra, die Hohepriesterin Salas, Ilanas Räume betrat, hatte sowohl Ilana als auch Nona einmal gewonnen.
    »Königin Ilana«, sprach Liandra feierlich und vermied es, Nona anzusehen, wegen deren Befreiung sie sich das Missfallen Sasalors
     eingehandelt hatte. Zwar hatte sie einen Augenblick der Macht über Sasalor auskosten dürfen; doch die Rüge und Drohungen,
     die er nach dem Opferfest gegen sie ausgesprochen hatte, hatten ihr einmal mehr ihre Machtlosigkeit vor Augen geführt. Nona
     hätte ihre Bestimmung erfüllen müssen. Das wusste sie nun. Es war nicht richtig, für ein bedeutungsloses Mädchen andere in
     Gefahr zu bringen. Nona hatte sich irgendwie Ilanas Mitleid erschlichen. Vielleicht weil die Götter ihr keine Schönheit geschenkt
     hatten. Liandra hatte beschlossen, dafür zu sorgen, dass Nona keinen Einfluss auf Ilana nahm. Das Mädchen besaß keine Ehre,
     doch eine ehrlose Gefährtin war nicht gut für die Moral der Königin von Engil. »Die Waldfrauen sind eingetroffen und haben
     sich auf dem Opferplatz eingefunden. Die Verkündung steht kurz bevor. Du musst nun mit mir kommen, Ilana.«
    Nona sah die Angst in den Augen der Königin, obwohl diese gefasst blieb und der Hohepriesterin zunickte. Sie nahm Nonas Hand
     und flüsterte: »Nun wird es sich entscheiden, ob wir in Engil bleiben oder nach Dungun aufbrechen müssen. Vielleicht wirst
     du mich dereinst für deine Rettung hassen, wenn die Wahl auf Dungun fällt. Ich habe nur Schreckliches über Dungun gehört.
     Ein düsteres Reich im Osten, in welchem allein Muruk verehrt wird. Seine Priester trinken das Blut der Opfer, um ihren Gott
     zu ehren, und jeden Tag werden Menschen um Muruks willen geopfert. Dungun soll so furchtbar sein, dass selbst die Sonne dort
     nicht scheinen will, und die Kälte kriecht tags und nachts durch die Ritzen der Türen und lähmt die Glieder der Menschen.
     In den Straßen hängen die Körper der Geopferten, bis die Vögel ihnen das Fleisch von den |46| Knochen gepickt haben … aber das Allerschlimmste sind die Schjacks, die nachts um die Mauern Dunguns streifen, in der Hoffnung,
     einen Menschen zu reißen.«
    In Nonas Kopf zeichneten Ilanas Beschreibungen ein Bild, das sie frösteln ließ. »Bei Salas Liebe, ich bete dafür, dass du
     hier bleiben kannst und ich auch, meine Königin. Ich … ich bin nicht mutig, wie du weißt.«
    Ilana schien ihre Anspielung gar nicht wahrzunehmen. Stattdessen wurde sie traurig. Ihr junges hübsches Gesicht zeigte Spuren
     von Müdigkeit, die zu ihrem Alter nicht zu passen schienen. »Doch wenn ich hier bleibe, muss Akari dieses Schicksal auf sich
     nehmen. Meine Schwester wird es sicherlich schwerer haben als ich. Es wäre besser, wenn sie in Engil bleibt. Ich glaube, ich
     kann mehr auf meine Schultern nehmen als sie.«
    »Beeilt euch!«, wies Liandra sie ungeduldig an, die zwar das Flüstern der beiden, jedoch nicht ihre Worte vernommen hatte.
     Es gefiel ihr nicht, dass Ilana so vertrauensvoll mit Nona umging. »Wir müssen uns sputen, Sasalor wartet bereits. Ich habe
     ohnehin seinen Groll auf mich gezogen.«
    Mit einem letzten mutmachenden Händedruck folgten sie Liandra hinaus in die Gärten. Die Hohepriesterin ließ sich eine Fackel
     bringen, und gemeinsam stiegen sie den Hügel hinab zum Opferplatz. Unheimlich mutete dieser nun an, erleuchtet von vielen
     Fackelfeuern. Bei dieser Zusammenkunft waren die Engilianer nicht anwesend. Lediglich Sasalor, die Gesandtschaft aus Dungun,
     die beiden Greife und drei alte Frauen, deren Rücken so gekrümmt war, dass sie kaum aufrecht stehen konnten, warteten bereits
     auf ihr Eintreffen. Die Luft war zwar mild nach dem heißen Tag, doch es schien Nona so, als wäre dies ein verwunschener Abend
     für eine verschworene Gemeinschaft.
    »Das sind die Waldfrauen«, flüsterte Ilana Nona leise zu. »Nie mand weiß, wie alt sie sind, doch sie müssen uralt sein. Sieh dir ihre Haare an! Grau und strähnig, die Runzeln in ihrem Gesicht
     lassen |47| nicht einmal mehr erkennen, wie ihre Gesichtszüge in ihrer Jugend ausgesehen haben … Und schau auf ihre Kleidung; aus den
     Häuten von Hirschen und Falbrindern ist sie
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