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Blutorangen

Blutorangen

Titel: Blutorangen
Autoren: Noreen Ayres
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halb fünf war der Gerichtsmediziner gekommen und wieder gegangen, und die Männer waren kurz davor, den Leichnam abzutransportieren. Billy hatte schon Vorbereitungen getroffen, den Tatort fotografiert und Detailaufnahmen gemacht, diejedes Beweisstück zeigten. Danach schoß er immer noch Schwarzweißfotos. Nach etwa einer Dreiviertelstunde gerinnt das Blut und es bildet stärkere Kontraste. Eine Stunde später löst es sich wieder, wird rosa und uninteressant, sagt Billy. Schwarzweißfotos zeigen schärfere Kontraste, obwohl die Kläger immer Farbfotos verwenden, um die Geschworenen zu beeinflussen. Ich weiß nie, was er mit den Schwarzweißfotos macht.
    Er stand mit seinen ganzen 1,84 Metern neben der Softeismaschine und starrte ins Leere.
    Jerrys Vater, Mr. Dwyer, hatte den Laden außen eier- schalenfarben angestrichen und eine blaue Markise angebracht. Wenn man reinkam, sah man als erstes den Zeitschriftenstand, die Porno-Magazine, verschweißt, ganz unten im Regal, wo alles außer dem Titel abgedeckt war, die Sportzeitschriften und Klatschblätter ganz oben. Am Ende des Raums, neben der Eismaschine, waren die Theke und die Kasse, und links davon gab es eine kleine Nische, in der Mr. Dwyer oder Jerry saßen, wenn keine Kunden da waren. Die Kühltheken waren rechts. Einige Lebensmittelregale führten quer durch den Laden, horizontal zu dem Gang, der zur Kasse führte und den die Killer genommen hatten.
    Trudy Kunitz stand vor mir in der Mitte des Ladens mit dem Gesicht zur Theke und schaut auf ihre Skizzen, dann wieder auf die Verweise und überprüfte ihre Richtigkeit. Als ihre Brille herunterrutschte, schob sie sie mit der Ecke ihres Notizblocks wieder hoch, aber ihre Augen blieben auf die Wand hinter der Theke gerichtet, sie sah mich nicht.
    Ich entfernte mich aus Billys Gesichtsfeld. Billy mochte mich überhaupt nicht. Oder nur wenig. Es war ziemlich kompliziert. Unsere gemeinsame Geschichte geht zurück auf die Tage, als ich eine VBA — eine Verdammt Blutige Anfängerin — war, und er dachte, er könnte mich in die Enge treiben. Seit dem Tag vor fünf Jahren, als ich anfing, wußte ich, daß Billy Katchaturian mit seinem gebeugten Rücken mich mit seinem seelenvollen Blick ansah und dachte, >Mmmh, Frischfleisch.<
    Aber ich war älter, als ich aussah. Ich hatte schon zwei Jahre bei der Polizei in Oakland hinter mir und eine höllische Zeit mit einem sterbenden Ehemann verbracht, der kein Recht dazu hatte, kein Recht, seine Leber von einem Hepatitis B Bazillus anfallen zu lassen und mich zu einem Zeitpunkt zu verlassen, als wir uns noch nicht einmal richtig aneinander gewöhnt hatten.
    Vom ersten Tag an war Billy K. hinter mir her wie ein Hai hinter einer Elritze, hat sich über mich, an mich, gegen mich gelehnt, und ich habe ihn angesehen und gesagt, »Was machst du denn da, Billy? Ich bin alt genug, deine Mutter zu sein,« auch wenn es nicht stimmte. Einmal sagte er zu mir, »Es ist, weil ich dunkelhäutig bin, nicht?« Ich finde zwar, daß Billy besser aussieht, je älter er wird, aber so gut sieht er auch wiederum nicht aus und wird es auch nie. Also ich will damit sagen, daß es mit der Hautfarbe nichts zu tun hat.
    Um ihm aus dem Weg zu gehen, folgte ich dem Klebeband auf dem Boden, einen Flur entlang, der von dem Fluchtweg wegführte. Bestimmt hatte schon jemand eine genaue Untersuchung durchgeführt, indem er den Raum im Geiste in Quadrate oder besser in Würfel eingeteilt und dann nach Beweisstücken von oben nach unten systematisch durchsucht hatte. Dennoch schaute ich mich überall nochmal um und überlegte, ob irgend etwas im Laden anders war als sonst morgens um Viertel vor sieben, wenn ich gewöhnlich hereinkam.
    Ich hörte, wie Billy sagte, »Willkommen an Bord, Smokey.« Er war zu dem alten, schwarzen Bürostuhl gegangen, in der kleinen Nische neben dem Getränkekühlschrank. Dort machte Jerry Dwyers Vater immer die Abrechnung. Während ich den Zucker in meinen Kaffee löffelte und die Titel der Hefte auf den Regalen überflog, zwinkerte mir Jerrys Vater zu oder nickte und lächelte kurz und beugte sich wieder über seine Auszüge. Jetzt war der Stuhl an die Wand geschoben, und Billy saß darauf, die Beine angezogen und eine Hand auf dem Achthundert-Dollar-Objektiv, das mit der Nase nach oben in seinem Schoß ruhte. Irgendwie war es nicht richtig, daß Billy auf diesem Stuhl saß. Jetzt sagte Billy grinsend in seiner »bin-ich-nicht-ein-toller- Kerl-Stimme« zu mir, »Smokey, so süß wie
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